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Montag, 30. August 2021

Weniger ist (nicht immer) mehr

 
Maciej Urbaniec 1973

Vor einigen Wochen verstarb ein ganz Großer seiner Kunst, der Jongleur Chris Christiansen. Seine Darbietung gipfelte nicht in der Jonglage einer möglichst großen Anzahl von Bällen oder Keulen, sondern in einer „magischen Balance“ mit einem Ball, bei der, wie Jens Thorwächter-Jeton in seinem Nachruf in der „Circuszeitung“ vom August 2021 schreibt, „der weiße Ball aus dem Genick heraus langsam den Rücken herabrollt, während sich Chris geschmeidig in den Handstand begibt. In höchster Präzision gleitet der Ball entlang der gestreckten Beine, um mit dem letzten Hauch von Energie oben auf den Fußsohlen zum Erliegen zu kommen – ein Moment der Vollkommenheit.“

Eine im Einsatz der Mittel derart konsequent reduzierte Performance bei so weitgehendem Körpereinsatz ist eher untypisch für die Jonglage im Circus, bei der i.d.R. Geschwindigkeit und Effekte im Vordergrund stehen. Die meisten Jongleure, die Technik und Ausstrahlung hierbei in besonders wirkungsvoller Weise vereinigen, stammen wie so viele ausdrucksstarke Artisten aus Südeuropa. Der bekannteste Jongleur aller Zeiten – Enrico Rastelli – war Italiener.
Aber auch Jongleure aus anderen Breiten zelebrier(t)en die Kunst der Jonglage auf eigene überzeugende Weise, ein Meister seines Faches hierzulande war zuletzt Francis Brunn.
Ein „Weniger ist mehr“ pflegen hingegen oftmals die im öffentlichen Raum oder in alternativen Circusprojekten auftretenden Berufskollegen zumeist weniger aus künstlerischen Erwägungen. Ihre mehr oder weniger originellen dramaturgischen Mittel, um das nicht selten bescheidene Repertoire bzw. den niedrigen Schwierigkeitsgrad der Tricks zu kaschieren, können dabei nicht immer so ganz überzeugen.

"Jongleure" - Russisches Circusplakat

Bram Vermeulen 1993

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