Bild- sowie direkte und indirekte Textzitate nur unter genauer Quellenangabe!

Samstag, 1. Juni 2024

Handmade

 

In Zeiten, in denen die Tageszeitung ein wichtiges Informationsmedium war und in vielen Haushalten gelesen wurde, hatte die Anzeigenwerbung eine weit größere Bedeutung als heute. Wenn auch Berichte im redaktionellen Teil weit effektiver waren und die Pressesprecherinnen und Pressesprecher stets versuchten, den Circus vor und während eines Gastspiels möglichst oft „in die Zeitung zu bringen“, bildeten die Anzeigen traditionell wichtige Werbemittel. Ihre Gestaltung war in aller Regel ausgesprochen trivial: Harte Schwarz-Weiß-Kontraste, stereotype Bildelemente, ein fett gedruckter Name des Unternehmens mit oftmals individuellem Schriftzug sowie der typische Sternchenrahmen dienten allein dazu, auf den überbordenden Anzeigenseiten aufzufallen.

Dass auch unter Anwendung ähnlicher bewährter Mittel weit ansprechendere Ergebnisse erzielt werden können, stellte der gelernte Gebrauchsgrafiker Bernhard Paul im Jahr der „Wiedergeburt“ seines Circus Roncalli 1980 unter Beweis. Die einfachen, liebevollen und gerade auch deshalb wirkungsvollen Annoncen spiegeln in besonderer Weise den einzigartigen Charme des Circus Roncalli in seinen Anfangsjahren. 

... alles "Einzelstücke"

Dienstag, 28. Mai 2024

Alleinstellungsmerkmal


Diese Arbeit auf einer Ausgabe des Jahres 1975
erinnert an Circusplakate polnischer Grafiker.

Unter den in vielen Ländern Europas von Circusfans herausgegeben Zeitschriften hoben sich die Ausgaben des Organs der "Circus-, Varieté- und Artistenfreunde der Schweiz" "Manege" oftmals durch sehr interessante grafisch gestaltete Titelseiten hervor. 
Besonders ansprechend sind die Arbeiten des bekannten (Werbe-)Grafikers, Kunstmalers und Illustrators Walter Grieder (1914-2004) aus Basel, darunter die beiden nachfolgenden Linolschnitte:

März 1968

November 1969

April 1977

Montag, 13. Mai 2024

Fachblatt

 
Rückseite der Ausgabe 12/1973

In diesem Blog fand schon öfter der Umstand Erwähnung, dass sich in den Ländern des ehemaligen „Ostblocks“ internationale zeitgenössische künstlerische Tendenzen vornehmlich in der nicht dem Diktat des „Sozialistischen Realismus“ unterworfenen Gebrauchsgrafik durchsetzen konnten. Viele Cover der Zeitschrift mit dem frei übersetzten Titel „Unterhaltungsmusik und Zirkus in der Sowjetunion“ aus den 1970er Jahren stellen treffliche Beispiele hierfür dar, wobei der häufige Einbezug folkloristischer Elemente eine Eigenart vor allem russischer und rumänischer Arbeiten darstellt. 




Mittwoch, 7. Februar 2024

Varieté und Revue - zwanzigster Exkurs


 
In den 1950er und 60er Jahren feierte die „Wiener Eisrevue“ auf ihren Europa-Tourneen große Erfolge. Ihr Markenzeichen war die „operettenhaft“ anmutende Inszenierung vieler Programme. Die von Robert Stolz komponierte Musik wurde dabei von einem Live-Orchester gespielt.
Während sich die Programme so deutlich von den Eisrevuen nach amerikanischem Muster abhoben, ähnelten die Programmcover und Plakate sehr den zumeist von bekannten Pin-Up-Künstlern gestalten Arbeiten für Produktionen anderer Shows. Insbesondere die nachfolgenden Titel von Siegfried Krupitz (1929-2013) erinnern deutlich an amerikanische, aber auch französische (O'Kley) Cover.




Freitag, 5. Januar 2024

"Der Plakatmaler der Theater- und Artistenwelt"

 

Im Mai-Heft 1919 der Zeitschrift „Das Plakat“ erschien ein reich bebilderter Artikel von Josef Holzinger über den Plakatmaler Jo(sef) Steiner (1877-1935), daraus folgender Textauszug und die Abbildungen:
Er schuf das moderne Bildnisplakat. Daher er auch der Plakatmaler der Theater- und Artistenwelt geworden ist.
Das alte Plakat dieser Gebiete brachte immer die Photobildnisse der betreffenden Künstler, meistens Zirkus- und Varietéleute. Da wurde die ganze 'Schönheit' des Künstlers nach der Auffassung und Mode des alten Fachphotographen ins Plakat übertragen. Der betreffende Kopf wurde 'schön und fesch' in Kreide lithografiert und mit den drei Grundfarben zart und fein angekreidet.
Steiner gab seinen Plakaten gleich ein anderes Gepräge. Er ließ das Photo beiseite und gab seinen Modellen das Aussehen, das sie auf der Bühne hatten oder haben wollten. Er hielt sich deshalb nicht an herkömmliche Form und Farbe." 




Dienstag, 28. November 2023

Varieté und Revue – neunzehnter Exkurs

 
Programm Admiralspalast 1937 (Josef Fenneker)

Bemühungen, die bereits in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg als „verstaubt“ angesehene Operette aufzupeppen und ihr neuen Schwung zu verleihen, fruchteten insbesondere in Berlin, wo die sogenannte „Revueoperette“ namentlich im Metropol-Theater zu einer festen Größe im Angebot leichter Unterhaltung avancierte.
Wie der Name sagt, spielten große Ballettformationen und aufwändige Ausstattungen in den Inszenierungen eine große Rolle, die Handlung trat hingegen in den Hintergrund und die Musik orientierte sich vor allem an der aktuellen populären Unterhaltungsmusik.
Um das Jahr 1930 herum verdrängte die Revueoperette sogar die große Revue in deren bisherigen Heimstätten Admiralspalast und Großes Schauspielhaus.
Ihr Erfolg hielt bis weit in den Krieg an. In dieser Zeit stehen insbesondere die Werke Heinz Hentschkes für unbeschwerte Unterhaltung ganz im Sinne der damaligen Machthaber.

Programm Großes Schauspielhaus 1932 (Paul Scheurich)

Programm "Maske in Blau", Metropol 1937 (Eleonora Rozanek)

Metropol 1942 (Notentitel von Kurt Hilscher)

Mittwoch, 15. März 2023

Väter der Klamotte


1947 gastierte Buster Keaton im Pariser Circus Medrano 
(Programmcover von Jean-Adrien Mercier) 

Viele der Stars aus den Anfängen des Kintopp arbeiteten zunächst auf Unterhaltungsbühnen oder im Circus – allen voran Fern Andra, deren akrobatische Talente in zahlreichen ihrer Filme zum Tragen kamen.
Auch Harold Madson, der kleine Patachon aus dem Duo Pat und Patachon, war zeitlebens dem Circus verbunden. Harald Madsen war bereits ein erfolgreicher Circusclown, als er für den Film entdeckt wurde.1938 gründete er in Dänemark seinen eigenen "Cirkus Harald Bergmann-Madson".
Komiker wie Madson entstammten besonders häufig der Welt des Showbusiness, u.a. die Marx Brothers, W. C. Fields, Charley Chase, die Drei Stooges, Charlie Chaplin, Fatty Arbuckle, Stan Laurel, James Finlayson und Buster Keaton hatten ihre Wurzeln im Vaudeville bzw. der Music-Hall.
Letzterer, der als Kind im amerikanischen Vaudeville eine im wahrsten Wortsinne besonders harte Schule durchlaufen hatte, avancierte zu einem der erfolgreichsten Stummfilm-Komiker, musste aber in den 1940er Jahren infolge persönlicher und finanzieller Krisen wieder in Bühnenshows und im Circus auftreten.
Keatons Komik ähnelte der stoischer Circusclowns wie Otto Griebling und Emmett Kelly, die fernerhin gleich Charlie Chaplin den Typ des mittellosen Tramps verkörperten.
Von ganz anderer, aber ebenfalls clownesker Art war die Komik von Stan Laurel und Oliver Hardy, die wiederum Clowns inspirierten, in jüngerer Vergangenheit zum Beispiel die Schweizer Gaston und Roli.
Weit mehr allerdings beeinflusste Charlie Chaplin zahlreiche Clowns, darunter Größen wie Karandasch oder Celito und Charlie Rivel.
Andere Künstler zeigten eine weitgehende Ähnlichkeit ihres sehr „speziellen“ Humors ohne direkt erkennbare Bezüge. In besonderer Weise trifft dies auf die großartigen spanischen Circusclowns „Los Rudi Llata“ und die Marx Brothers zu, zwischen denen zweifellos eine gewisse Art von „Seelenverwandtschaft“ bestanden haben muss.  



Pat und Patachon - Karikatur von Eberhard Renziehausen

Dienstag, 7. März 2023

Wanderer zwischen den Welten


Programm mit Popov im Leningrader Circus 1974
 
Neben „Karandasch“ (siehe Post „Verdienter Clown der Volkes“) war Oleg Popov (1930-2016) der wohl bekannteste Clown der „Russischen Schule“, wobei seine Popularität vor allem aufgrund seiner frühen Beteiligung an Auslandsgastspielen des „Moskauer Staatszirkus“ schon bald über die Grenzen der ehemaligen Sowjetunion hinausreichte. Popov genoss auf beiden Seiten des "Eisernen Vorhangs" Star-Status und wurde in einem Atemzug mit Grock und Charlie Rivel genannt.
Wie viele russische Circuskünstler hatte Popov eine umfassende akrobatische Ausbildung genossen. Gerade seiner Clownfigur, die den Typ des unbekümmerten, verspielten Gesellen verkörperte, kam dies sehr zu gute: In viele seiner Nummern baute er auf spielerische Weise akrobatische Kunststücke wie eine Jonglage auf dem Schlappseil ein.
In den drei letzten Jahrzehnten seines Lebens trat der große Clown vornehmlich in Westeuropa auf und lebte seit den frühen 1990er Jahren in Deutschland. Circusse die den „letzten großen Circusclown“ engagierten, setzten erfolgreich auf seinen werbewirksamen Weltruhm, wobei die Auftritte des alternden Clowns mehr noch als zuvor von zurückhaltender Mimik und Gestik waren und auf „leise“ Komik setzten.

1999 war Popov Reklamenummer des dänischen Circus Arena. 
Das Plakat- und Covermotiv stammt unverkennbar von Jeppe Eisner. 

Bild auf einer russische Zündholzschachtel von 1969

1974

Donnerstag, 2. März 2023

Kinderbuchkunst

 
René Villiger

Im Post „Kinderkram“ ging es um Gebrauchsgrafiker, die in ihren Anfängen für Circusse arbeiteten und späterhin zu sehr populären Kinderbuch-Illustratoren avancierten. Hier werden nun exemplarisch besonders ansprechende „circensische Gelegenheitsarbeiten“ von drei Künstlerinnen und Künstlern in ihrer jeweils typischen „Handschrift“ vorgestellt, die nicht zuletzt aufgrund ihrer Illustrationen für Kinderbücher bereits einen Namen hatten:
Der eidgenössische Künstler René Villiger (1931-2010) wurde u.a. durch seine Bilder zu „Alois“ von Max Bolliger (1968) auch als Kinderbuchillustrator bekannt. Dem Plakat- und Programmmotiv für den Circus Nock aus den 1970er Jahren folgte Ende der 1990er noch Arbeiten für Alfredo Nocks Weihnachtscircus-Produktionen.
Walter Schmögner war Kommilitone des späteren Roncalli-Direktors Bernhard Paul an „der Graphischen“ in Wien und schuf eines der ersten Roncalli-Plakate. Das bekannteste seiner vielen Kinderbücher, „Das Drachenbuch“ von 1969, wurde zum Klassiker, der zuletzt 2010 neu aufgelegt wurde.
Edit Szalma ist in ihrer ungarischen Heimat vor allem auch mit ihren Kinderbuch-Illustrationen sehr erfolgreich. Bezüglich ihrer Circus-Arbeiten lässt sich strenggenommen kaum von „Gelegenheitsarbeiten“ sprechen, ist der Circus doch eines der Lieblingsthemen der überaus fantasiebegabten Grafikerin.
Die Auswahl ließe sich um viele Beispiele erweitern, wobei einige Circusse wie der New Yorker Big Apple-Circus Plakate und Programmcover besonders häufig von bedeutenden Illustratorinnen und Illustratoren gestalten ließen bzw. lassen.

Walter Schmögner (Bildpostkarte eines Plakats)

Edit Szalma

Mittwoch, 1. Februar 2023

Musentempel

 
Pantomimenheft des Circus Albert Schumann

Das Gebäude des 1985 abgerissenen alten Berliner Friedrichstadtpalastes hatte infolge oftmaliger umfassender Umbauten kaum nach etwas mit dem ursprünglichen Bau, der 1869 eröffneten großen Markthalle, gemein. Ihren ursprünglichen Bestimmungszweck erfüllte die Halle dabei nur sehr kurze Zeit. Bald schon wurde sie von Albert Salamonski zum Circus umgewandelt. Ihm folgten die Circusdirektoren Ernst Renz und Albert Schumann, die das Gebäude ihren steigenden Ansprüchen entsprechend ständig modernisierten und ausbauten.
Nach dem ersten Weltkrieg ließ Max Reinhardt den Circus in ein großes Theater für besonders aufwändige Inszenierungen umwandeln. Das nun „Großes Schauspielhaus“ genannte Gebäude diente Erik Charell seit Mitte der 1920er Jahre zudem als Aufführungsstätte für seine gewaltigen Revuen.
In der DDR schließlich war das Haus, das während der Zeit des Nationalsozialismus als "Theater des Volkes" vornehmlich Operetten zeigte, unter dem Namen „Friedrichstadtpalast“ das bedeutendste Varieté- und Revuetheater.

Programmheft der Revue "Für Dich" 1925/26
Das Cover ist eine der wenigen bekannten gebrauchsgrafischen 
Arbeiten des Künstlers und Geheimagenten Gert Caden.

Programmheft um 1941

Programmcover von Kurt Hilscher (1949)