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Montag, 3. Februar 2020

Congratulazioni Federico!


Anlässlich des dieser Tage begangenen 100. Geburtstages Federico Fellinis füge ich meinen 2013 zum zwanzigsten Todestag in der "Circuszeitung" erschienenen Artikel "In all meinen Filmen erzähle ich vom Circus" ein, wobei vor Fellinis Filmerfolgen entstandene Grafiken "fellinesken Charakters" die Fotos ersetzen.
Über Fellinis Freundschaften mit verschiedenen Circusleuten ist in diesem Blog zudem ein älterer Post unter dem Titel "Amici Fellini" zu finden.

Titel einer französischen Zeitschrift aus dem Jahr 1947

Trotz seiner unspektakulären Inszenierung wird das stimmungsvolle Opening, das im Circus Barum in den beiden letzten Jahrzehnten seines Bestehens zelebriert wurde, bei vielen seiner Fans eindrücklich im Gedächtnis verhaftet sein. Einen entscheidenden Anteil daran hatte das Barum-Orchester mit der Filmmusik Nino Rotas zu Fellinis „Achteinhalb“.
Die Musik untermalt das berauschende Finale des Films: Angeführt von Fellinis Alter Ego Guido als Kind, einem Zauberer in der Rolle des Circusdirektors und musizierenden Clowns erscheinen die verschiedensten Menschen aus dem Leben des Protagonisten, um in einer Manege unter freiem Himmel dieses Leben zu feiern.

Rotas Melodien aus Fellini-Filmen wurden und werden bisweilen im Circus gespielt und mancher mag auch Themen aus „Die Müßiggänger“, „Der weiße Scheich“, „Amarcord“ oder „La Strada“ für originäre Circusmusik halten.
Dass Nino Rotas kongeniale Musiken zu den Meisterwerken Federico Fellinis so oft an Circus-Musik erinnern, steht mit dessen Affinität zu Circus, Jahrmarkt und Varieté im Zusammenhang, die in vielen seiner Filme zum Ausdruck kommt. Fellini liebte das Skurrile, die theatralisch-phantastische Überhöhung des Banalen, das Abnorme, die Übertreibung – den ganz großen „Budenzauber“ eben. Seine Zuneigung zum Circus war dabei besonders tief: „Der Zirkus ist nicht nur eine Show; er ist eine Lebenserfahrung. Er ist eine Reise durch das eigene Leben … Das Schauspiel des Zirkus, sowenig es auch mit der heutigen Welt gemein haben mag, muß erhalten bleiben; (…)“ (Cinecittà – Meine Filme und ich. Dt. Hamburg 1990, S.92)

Ausschlaggebend war auch bei Fellini die erste Begegnung des Kindes mit der Welt des Circus, genauer die Manifestation der Erinnerung daran: „Ich weiß noch, daß ich so etwas wie eine erregende, prophetische, antizipierende Resonanz in mir spürte, als ich zum ersten Mal den Fuß in den atmenden, feuchten, ruhigen Riesenbauch eines Zirkuszeltes setzte. In dieser großen, verzauberten Leere fühlte ich mich heimisch, das feuchte Sägemehl, die Hammerschläge, dumpfe Geräusche, die von irgendwoher kamen, das Wiehern eines Pferdes … Es war (…) ein Zirkus, der wahrscheinlich winzig war, mir aber unermesslich vorkam, wie ein Raumschiff, eine Montgolfiere, etwas, womit ich am liebsten weggefahren wäre.“ (Giovanni Grazzini: Federico Fellini über Fellini. Dt. Zürich 1984, S.34)

Diese Erinnerungen fließen in die wunderbare Anfangssequenz des Films „Die Clowns“ von 1970 ein, der Fellinis Liebe zum Circus am deutlichsten widerspiegelt.
In der Rahmenhandlung dreht ein Filmteam unter Fellinis Leitung eine Fernsehdokumentation über die Circusclownerie, die sich im Verlauf des Films als eine aussterbende Kunst entpuppt. Folgerichtig mündet das Ganze in einem grotesken „Clown-Begräbnis“ als phantastisch-furioses Finale mit melancholischem Abgesang in der verlassenen Manege.
Zuvor recherchiert das Filmteam bei Liana Orfei und vor allem in Paris, wo es auf lebende Circus- bzw. Clownlegenden wie Charlie Rivel und Experten wie Tristan Rémy trifft. Rémy lieferte dabei ganz offensichtlich auch die Vorlagen für die Szenen, in denen große Clowns der Vergangenheit wie Footit et Chocolat, Antonet, Beby oder die drei Fratellini mit Ausschnitten ihrer Entrees zum Leben erwachen.

Von ganz anderer Art ist der 1954 entstandene Klassiker „La Strada“, ein „Circusfilm“, der zu den ganz großen Werken der Filmgeschichte zählt und Fellinis Ruhm begründete.
Das Melodram um das Mädchen Gelsomina, den Kettensprenger „Zampanò“ und den Seilläufer Matto zeigt in ungeschönter Weise die Welt der Straßenkünstler und armseligen Wandercircusse in der italienischen Provinz zu Beginn der 1950er Jahre.

Die melancholische Melodie der Gelsomina ist mitunter im Circus als Trompetensolo zu hören, ansonsten inspirierten Filme anderer Schaffensperioden Fellinis, allen voran „Die Clowns“, die Präsentation einzelner artistischer Darbietungen oder ganzer Circusprogramme. So waren beispielsweise Produktionen von Plume, Il Florilegio oder Soleil mit „Corteo“ sehr weitgehend von Werken des großen Filmemachers beeinflusst.
Hierzulande weht der Geist Fellinis nur verhalten. Dabei würde er so manchem zäh in Szene gesetzten Programm mit geringen Mitteln zu Atmosphäre und Pep verhelfen – letztlich fehlt es nur am „Budenzauber“ …

Titelbild von Almerico Tomaselli (1951)

Illustration von "Serge" in seiner "Histoire du Cirque" von 1947


Illustration von Lutz Ehrenberger
 in einer Ausgabe der Zeitschrift "Galante Blätter" aus dem Jahr 1921.

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