Anlässlich des dieser Tage begangenen 100. Geburtstages Federico Fellinis füge ich meinen 2013 zum zwanzigsten Todestag in der "Circuszeitung" erschienenen Artikel "In all meinen Filmen erzähle ich vom Circus" ein, wobei vor Fellinis Filmerfolgen entstandene Grafiken "fellinesken Charakters" die Fotos ersetzen.
Über Fellinis Freundschaften mit verschiedenen Circusleuten ist in diesem Blog zudem ein älterer Post unter dem Titel "Amici Fellini" zu finden.
Titel einer französischen Zeitschrift aus dem Jahr 1947 |
Trotz seiner unspektakulären
Inszenierung wird das stimmungsvolle Opening, das im Circus Barum in
den beiden letzten Jahrzehnten seines Bestehens zelebriert wurde, bei
vielen seiner Fans eindrücklich im Gedächtnis verhaftet sein. Einen
entscheidenden Anteil daran hatte das Barum-Orchester mit der
Filmmusik Nino Rotas zu Fellinis „Achteinhalb“.
Die Musik untermalt das berauschende
Finale des Films: Angeführt von Fellinis Alter Ego Guido als Kind, einem Zauberer in der Rolle des Circusdirektors und
musizierenden Clowns erscheinen die verschiedensten Menschen aus dem
Leben des Protagonisten, um in einer Manege unter freiem Himmel
dieses Leben zu feiern.
Rotas Melodien aus Fellini-Filmen
wurden und werden bisweilen im Circus gespielt und mancher mag auch
Themen aus „Die Müßiggänger“, „Der weiße Scheich“,
„Amarcord“ oder „La Strada“ für originäre
Circusmusik halten.
Dass Nino Rotas kongeniale Musiken zu
den Meisterwerken Federico Fellinis so oft an Circus-Musik erinnern,
steht mit dessen Affinität zu Circus, Jahrmarkt und Varieté im
Zusammenhang, die in vielen seiner Filme zum Ausdruck kommt. Fellini
liebte das Skurrile, die theatralisch-phantastische Überhöhung des
Banalen, das Abnorme, die Übertreibung – den ganz großen
„Budenzauber“ eben. Seine Zuneigung zum Circus war dabei
besonders tief: „Der Zirkus ist nicht nur eine Show; er ist eine
Lebenserfahrung. Er ist eine Reise durch das eigene Leben … Das
Schauspiel des Zirkus, sowenig es auch mit der heutigen Welt gemein
haben mag, muß erhalten bleiben; (…)“ (Cinecittà – Meine
Filme und ich. Dt. Hamburg 1990, S.92)
Ausschlaggebend war auch bei Fellini
die erste Begegnung des Kindes mit der Welt des Circus, genauer die
Manifestation der Erinnerung daran: „Ich weiß noch, daß ich so
etwas wie eine erregende, prophetische, antizipierende Resonanz in
mir spürte, als ich zum ersten Mal den Fuß in den atmenden,
feuchten, ruhigen Riesenbauch eines Zirkuszeltes setzte. In dieser
großen, verzauberten Leere fühlte ich mich heimisch, das feuchte
Sägemehl, die Hammerschläge, dumpfe Geräusche, die von irgendwoher
kamen, das Wiehern eines Pferdes … Es war (…) ein Zirkus, der
wahrscheinlich winzig war, mir aber unermesslich vorkam, wie ein
Raumschiff, eine Montgolfiere, etwas, womit ich am liebsten
weggefahren wäre.“ (Giovanni Grazzini: Federico Fellini über
Fellini. Dt. Zürich 1984, S.34)
Diese Erinnerungen fließen in die
wunderbare Anfangssequenz des Films „Die Clowns“ von 1970 ein,
der Fellinis Liebe zum Circus am deutlichsten widerspiegelt.
In der Rahmenhandlung dreht ein
Filmteam unter Fellinis Leitung eine Fernsehdokumentation über die
Circusclownerie, die sich im Verlauf des Films als eine aussterbende
Kunst entpuppt. Folgerichtig mündet das Ganze in einem grotesken
„Clown-Begräbnis“ als phantastisch-furioses Finale mit
melancholischem Abgesang in der verlassenen Manege.
Zuvor recherchiert das Filmteam bei
Liana Orfei und vor allem in Paris, wo es auf lebende Circus- bzw.
Clownlegenden wie Charlie Rivel und Experten wie Tristan Rémy
trifft. Rémy lieferte dabei ganz offensichtlich auch die Vorlagen
für die Szenen, in denen große Clowns der Vergangenheit wie Footit
et Chocolat, Antonet, Beby oder die drei Fratellini mit Ausschnitten
ihrer Entrees zum Leben erwachen.
Von ganz anderer Art ist der 1954
entstandene Klassiker „La Strada“, ein „Circusfilm“, der zu
den ganz großen Werken der Filmgeschichte zählt und Fellinis Ruhm
begründete.
Das Melodram um das Mädchen Gelsomina,
den Kettensprenger „Zampanò“ und den Seilläufer Matto zeigt in
ungeschönter Weise die Welt der Straßenkünstler und armseligen
Wandercircusse in der italienischen Provinz zu Beginn der 1950er
Jahre.
Die melancholische Melodie der
Gelsomina ist mitunter im Circus als Trompetensolo zu hören,
ansonsten inspirierten Filme anderer Schaffensperioden Fellinis,
allen voran „Die Clowns“, die Präsentation einzelner
artistischer Darbietungen oder ganzer Circusprogramme. So waren
beispielsweise Produktionen von Plume, Il Florilegio oder Soleil mit
„Corteo“ sehr weitgehend von Werken des großen Filmemachers
beeinflusst.
Hierzulande weht der Geist Fellinis nur
verhalten. Dabei würde er so manchem zäh in Szene gesetzten
Programm mit geringen Mitteln zu Atmosphäre und Pep verhelfen –
letztlich fehlt es nur am „Budenzauber“ …
Titelbild von Almerico Tomaselli (1951) |
Illustration von Lutz Ehrenberger in einer Ausgabe der Zeitschrift "Galante Blätter" aus dem Jahr 1921. |
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