Mit
Roncalli tauchte 1976 ein Unternehmen auf, das die internationale
Circuslandschaft nachhaltig verändern sollte. Der 1980 einsetzende
enorme Erfolg des Newcomers rührte nicht zuletzt daher, dass
seinerzeit die Nostalgiewelle einen Höhepunkt erreicht hatte und
Direktor Bernhard Paul es überaus geschickt verstand, Vorstellungen
von einem idealisierten Circus vergangener Tage Wirklichkeit werden
zu lassen.
Dieses
„Konzept“ wirkte sich schnell auf das Erscheinungsbild und die
Programmgestaltungen der Konkurrenz aus, einige Unternehmen wie „Ca-
bzw. Barelli“ oder „Fliegenpilz“ ahmten Roncalli in vielerlei
Hinsicht dabei sehr weitgehend nach. Ganz besonders positiv strahlte
Roncalli auf Familiencircusse aus. Einige zuvor völlig unscheinbare
Kleincircusse verwandelten sich in den 1980er und 90er Jahren in
regelrechte Schmuckstücke und bescherten ihren althergebrachten
Programmen in neuer Verpackung unter dem Motto „Opas Circus lebt“
einen deutlich verstärkten Publikumszuspruch.
Das
Heraufbeschwören vermeintlich guter alter Zeiten, die Klage über
das Schwinden der „Circusromantik“ sind dabei nicht auf die 70er
und 80er Jahre beschränkt. Schon "Signor Saltarino" (H.W. Otto) beklagte beispielsweise
um die vorletzte Jahrhundertwende das Ende des guten alten
Pferdecircus durch die „Amerikanisierung“ des Circuswesens“: "Ich fürchte, daß der alte, schöne und elegante Zirkus untergehen wird im Tamtam der wilden Reklame". (Das Artistentum und seine Geschichte, Leipzig 1910, S.53)
Auch die "Romantik" des "Fahrenden Volkes" sah Saltarino dem Untergang geweiht: "(...) er ist dem Circus des electrischen Lichts nicht hold, der nach seiner Ansicht aller Romantik bar, er, der nur mit der Maringotte durch die Länder gezogen, als die Eisenschienen noch nicht den Erdball umpanzerten. Freilich, unter dem fahrenden Volk des Heute entfaltet sich auch nur noch ein sehr dünnes Restchen jener Poesie und Romantik, die mit den Märchen und Mythen das künstlerische Vagabondenleben vordem umwob und dürfte es ihm in Erinnerung an sein einstiges fahrendes Künstlerthum um so strahlender jetzt erscheinen, je ferner es ihm liegt, je glänzender es das Zauberlicht der Erinnerung verklärt." (Artikel über den Artisten "Alfredo" in ""Pauves Saltimbanques" aus dem Jahr 1891)
In den 20er Jahren waren es vor allem "der Manege wesensfremde" schauspielerische Elemente, die die Eigenart des Circus zu gefährden schienen: "(...), und es kam, genau genommen, einer Bankrotterklärung der spezifischen Manegenkünste gleich, wenn man auf die Mithilfe der Thespisjünger, die vordem, (...) stets ein wenig verächtlich auf die Zirkusmenschheit herabzublicken gewillt waren, nicht mehr verzichten zu können glaubte." (Joseph Halperson, Das Buch vom Zirkus. 1926, S.124)
Auch die "Romantik" des "Fahrenden Volkes" sah Saltarino dem Untergang geweiht: "(...) er ist dem Circus des electrischen Lichts nicht hold, der nach seiner Ansicht aller Romantik bar, er, der nur mit der Maringotte durch die Länder gezogen, als die Eisenschienen noch nicht den Erdball umpanzerten. Freilich, unter dem fahrenden Volk des Heute entfaltet sich auch nur noch ein sehr dünnes Restchen jener Poesie und Romantik, die mit den Märchen und Mythen das künstlerische Vagabondenleben vordem umwob und dürfte es ihm in Erinnerung an sein einstiges fahrendes Künstlerthum um so strahlender jetzt erscheinen, je ferner es ihm liegt, je glänzender es das Zauberlicht der Erinnerung verklärt." (Artikel über den Artisten "Alfredo" in ""Pauves Saltimbanques" aus dem Jahr 1891)
In den 20er Jahren waren es vor allem "der Manege wesensfremde" schauspielerische Elemente, die die Eigenart des Circus zu gefährden schienen: "(...), und es kam, genau genommen, einer Bankrotterklärung der spezifischen Manegenkünste gleich, wenn man auf die Mithilfe der Thespisjünger, die vordem, (...) stets ein wenig verächtlich auf die Zirkusmenschheit herabzublicken gewillt waren, nicht mehr verzichten zu können glaubte." (Joseph Halperson, Das Buch vom Zirkus. 1926, S.124)
1934 hingegen sollte ausgerechnet eine "Theater-Revue" zu einer "Renaissance" der "guten alten Zeiten" beitragen. 1934 schrieb Ladislaus Bus-Fekete im Programmheft zu seinem Stück „Der Stern der Manege“: „In den letzten Jahren
ist der Zirkus mit seiner eigenartigen, köstlichen Atmosphäre ein
wenig außer Mode gekommen. Der Zirkus, der uns einst so viel
Amusement gab. Ich fühle es aber, dass diese Komödie im Zirkus
dessen Renaissance sein wird und dass wir damit vielleicht für ihn
die guten alten Zeiten wieder bringen. Und damit Erinnerungen, die
für uns die schönsten sind.“
Die in den 1980er und 90er unter Circusleuten - und -freunden oftmals sehr hitzig geführte Diskussion um den Stellenwert aufkommender, zunächst als "Alternativcircusse" bezeichneter Erscheinungsformen des "Nouveau Cirque" und vermeintlich negativer Auswirkungen auf den "klassischen" bzw. "traditionellen" Circus stand somit genau genommen selbst in einer weit zurückreichenden Tradition kritischer Einstellungen zu Veränderungstendenzen.
Nicht zu vernachlässigen ist im Zusammenhang mit der Heraufbeschwörung vergangener Zeiten der Umstand, dass das Anknüpfen an verklärende Bilder in den Köpfen der Menschen schon immer eines der Mittel war, um Publikum in die Zelte locken – und das gilt auch heute: Zu Beginn der Reisesaison 2019 präsentierte sich der Circus Krone, der seinen Shows zuvor lange Zeit mit Revue-Elementen einen eigenen Anstrich zu geben versuchte, in einem ganz neuen, nostalgischen Outfit und mit einer völlig veränderten Programmkonzeption. Abermals wird dabei ein idealisiertes Bild von der Vergangenheit in die Gegenwart projiziert, wobei die Zeitreise diesmal nicht die Gründerzeit und die vorletzte Jahrhundertwende, sondern die 1920er Jahre zum Ziel hat – Art Deco statt Jugendstil und „Jahrmarktsbarock“.
Die in den 1980er und 90er unter Circusleuten - und -freunden oftmals sehr hitzig geführte Diskussion um den Stellenwert aufkommender, zunächst als "Alternativcircusse" bezeichneter Erscheinungsformen des "Nouveau Cirque" und vermeintlich negativer Auswirkungen auf den "klassischen" bzw. "traditionellen" Circus stand somit genau genommen selbst in einer weit zurückreichenden Tradition kritischer Einstellungen zu Veränderungstendenzen.
Nicht zu vernachlässigen ist im Zusammenhang mit der Heraufbeschwörung vergangener Zeiten der Umstand, dass das Anknüpfen an verklärende Bilder in den Köpfen der Menschen schon immer eines der Mittel war, um Publikum in die Zelte locken – und das gilt auch heute: Zu Beginn der Reisesaison 2019 präsentierte sich der Circus Krone, der seinen Shows zuvor lange Zeit mit Revue-Elementen einen eigenen Anstrich zu geben versuchte, in einem ganz neuen, nostalgischen Outfit und mit einer völlig veränderten Programmkonzeption. Abermals wird dabei ein idealisiertes Bild von der Vergangenheit in die Gegenwart projiziert, wobei die Zeitreise diesmal nicht die Gründerzeit und die vorletzte Jahrhundertwende, sondern die 1920er Jahre zum Ziel hat – Art Deco statt Jugendstil und „Jahrmarktsbarock“.
Für "Der Stern der Manege" gestaltete die Kostümbildnerin Gerda Gottschlich auch das Cover des Programmheftes. |
Das März-Programm des Circus Krone aus dem Jahr 1941 mit einer nostalgisch anmutenden Illustration von Lutz Ehrenberger. |
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