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Mittwoch, 17. April 2019

Zirkuszauber


Im April 1943 gastierte die „Große Cantarelli-Zauber-Revue“ 
im Dresdener Sarrasani-Bau. Die interessante Programm-
illustration stammt von Kurt Hilscher.

Aufzählungen typischer Circus-Artistik umfassen in der Regel auch die Zauberei, obwohl sie aus naheliegenden Gründen nicht zum Standard-Repertoire der Circusprogramme zählt:* Für das weite Rund eines Chapiteaus eignen sich in erster Linie Großillusionen – und die bedürfen zumeist der Bühnen(technik) und frontal angeordneter Zuschauerreihen. 
Wenn große Illusionisten mit ihren Solo-Programmen in Circuszelten oder Circusgebäuden  gastierten, so traten sie zumeist auf einer Bühne vor entsprechender Bestuhlung auf. Die Circusbauten waren in der Regel Multifunktionsgebäude, deren Innenraum sich für Bühnenshows umwandeln ließ. 
Aber auch als Bestandteil regulärer Circusshows waren Größen der Szene mitunter zu erleben, allen voran Houdini, der in Deutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts bei Corty-Althoff und im Circus Busch ein wahrer Publikums- bzw. Kassenmagnet war.
In regulären Circusprogrammen werden viele Tricks häufig auf einer frontalen Bühne dargeboten. Eine anspruchslose „Kistenzauberei“ ist dabei ohne besondere Begabung auszuführen – im schlechtesten Fall genügt es, die Gerätschaften zu kaufen, eine gutaussehende, gelenkige Assistentin einzuweisen und ein wenig Brimborium um die Illusion herum zu veranstalten. Einige Tricks wie beispielsweise die unvermeidliche „Fluchtkiste“ sind dabei mit besonders wenig Aufwand auch in einer Manege zu präsentieren. Trotzdem stammt nur ein verschwindend kleiner Teil der Zauberer im Circus aus Circusfamilien. In der Regel handelt es sich um Bühnenillusionisten "von Privat", die ihre Show den Bedingungen im Circus angepasst haben. Um hier Erfolg zu haben, bedarf es allerdings in Anbetracht dieser äußeren Bedingungen und des sehr heterogenen Publikums echter Showmen-Qualitäten sowie eines ausgeprägten dramaturgischen Geschicks. Darüber hinaus tragen die mit einer Circus-Tournee verbundenen großen Strapazen dazu bei, dass die "Circuszauberei" durchaus Beachtung verdient. Ausgesprochene "Manegen-Zauberer" waren beispielsweise "Recha, der Teufel im Frack" (Reinhold Schäfer), sein Lehrmeister "Taft" (Albert Sachse), Ferry Forst (Franz Alexander Hodis), Teddy Strik (Georges Amard), "Spinoza" (Johannes Kristensen), Emil Kio und seine Söhne, "Yanco" (Jean-Louis Conte), Jolson (Raúl da Silva Pinto), Peter Weyganda, Lee Pee Ville (Leif Hansen) oder in jüngerer Vergangenheit der Däne Kim Kenneth, der mit seinen Großillusionen u.a. bei Elfi-Althoff, Benneweis, Barum, Arena, Billy Smart, Charles Knie oder Nock engagiert war. 
Mit "Camaro" (Harry Cameron), "Tihany" (Franz Czeisler), "Brazil Jack" (Carl Max Alexander Rhodin), "Berdini" (Ben Tertoole) und Arne Arnado lassen sich sogar Zauberkünstler benennen, die eigene Circusse gründeten. Auch bei dem ursprünglichen "Zirkus Charles Knie", dem 1970 gegründeten belgischen "Cirque Carrington" oder dem "Magic Circus" von Circus-Urgestein Bill Kartoum spielte die Zauberei eine besondere Rolle. 
Klassische Kunststücke sind im Circus nicht nur in reinen Zaubernummern zu sehen. Mitunter werden sie von Clowns bzw. Komikern persifliert, die dabei bisweilen Tricks aus der magischen Mottenkiste offenlegen. Auch Fakirnummern bzw. "orientalische Schaubilder" beinhalten gelegentlich Apparate-Tricks oder gar einfache Großillusionen.
"QuickChange" und "Pickpocket", zwei Randgebiete der Zauberei, erfreuen sich bis in die Gegenwart besonderer Beliebtheit im Circus. "Quick Change", die Kunst des rasanten Kostümwechsels, brachten Artisten des sowjetischen Staatscircus in den späten 1980er Jahren von der Bühne in die Manege, wobei bereits Anfang des 19. Jahrhunderts Verwandlungsszenerien in Circuspantomimen zu sehen waren. Die Darstellerinnen und Darsteller trugen auch damals unterschiedliche Kostüme übereinander, die sie nach und nach ablegten. 
"Taschendiebe", die ihren Opfern vor aller Augen Armbanduhren, Krawatten, Börsen, Brieftaschen, Hosenträger oder Brillen "klauen", sind besonders publikums- und vor allem auch werbewirksam: Eine vom Circus-Pressesprecher arrangierte "Fortbildung" der örtlichen Polizei ist jeder Lokalredaktion einen ausführlichen Bericht mit großer Schlagzeile wert. Zuletzt war hierzulande der Däne Kenny Quinn im Circus Charles Knie zu erleben. Besondere Popularität erlangten Borra Senior und Junior, die in den führenden Circussen Europas als Top-Nummern engagiert waren. Charly Borra gastierte dabei oftmals in Unternehmen, die Jahrzehnte vorher seinen berühmten Vater im Programm hatten. 


Die Circusplakat-Entwürfe polnischer Grafiker wurden zumeist
 überhaupt nicht von Circussen eingesetzt. Eine Ausnahme
 macht dieses Programmcover von 1975.

Programmcover einer "indisch" aufgemachten Circus-Show
um den Star-Illusionisten Prodip Chandra Sorcar (1976)

Emil Kio und seine Söhne genossen in der Sowjetunion enorme
Popularität und waren Stars auf Auslandsreisen des Staatszirkus.


* In den letzten 70 Jahren war nur in ca. 5% der Programme größerer westeuropäischer Circusse klassische Zauberei mit Großillusionen oder - weitaus seltener - Manipulationen oder Mentalmagie vertreten. In einigen Ländern hat die Zauberei im Circus traditionell allerdings einen deutlich größeren Stellenwert, so z.B. in Belgien, Portugal oder Skandinavien.

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