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Bildpostkarte einer "Wasserpantomime" im Berliner Circus Busch 1900 |
Ende
2024 erschien das allein wegen seiner wunderbaren, sorgfältig recherchierten, zusammengestellten und kommentierten (Bild-)Dokumente sehr
empfehlenswerte Buch „Zirkuskunst in Berlin um 1900“ von
För Künkel und Mirjam Hildbrand, das vor allem die aufwändig inszenierten Mangenschauspiele mit ihren raffinierten Bühnen- bzw. Manegenmaschinerien im Circus Busch sowie im
„Markthallencircus“1 unter den Direktionen von Renz
bzw. Schumann sowie den Arbeitsalltag Berliner Artisten im frühen 20. Jahrhundert beleuchtet.
Zutreffenderweise
wird hierin das Bild des ursprünglichen Circus als reisendes
Unternehmen relativiert und die Bedeutung der festen Circusgebäude
für die Entwicklung der Circuskunst hervorgehoben. Das in diesem
Zusammenhang entworfene Gegenmodell ist allerdings auch nicht ganz
zutreffend: Mit Blick auf die zahlreichen im 19. Jahrhundert
entstandenen Circusgebäude ist verallgemeinernd von einem „Prozess
der Sesshaftigkeit“ die Rede.
Das Gros der Circusse bestand jedoch aus reisenden Unternehmen und selbst wenn der Blick auf ausgewählte Circusse eine solche Entwicklung zu bestätigen scheint (die „Berliner Circusse“ Krembser, Salamonsky, Renz, Schumann und Busch gründeten beispielsweise durchweg auf reisenden Unternehmen), erlahmte dieser vermeintliche Prozess um die Jahrhundertwende infolge der Verbreitung des Chapiteaus.
Der einleitenden Aussage „die großen Zirkusgesellschaften spielten um 1900 nicht in Zelten, sondern in mächtigen Holzkonstruktionen oder in pompösen steinernen Gebäuden“ kann nur für die Dekade vor 1900 entsprochen werden, danach traf sie in stark steigendem Maße nicht mehr zu. Der Fachautor „Signor Saltarino“ (Hermann Otto) sah bereits 1910 den alten Pferdecircus mit seiner „vornehmen Ruhe und wohltuenden Eleganz“ durch die Zeltunternehmen neuen Typs verdrängt.
Das Gros der Circusse bestand jedoch aus reisenden Unternehmen und selbst wenn der Blick auf ausgewählte Circusse eine solche Entwicklung zu bestätigen scheint (die „Berliner Circusse“ Krembser, Salamonsky, Renz, Schumann und Busch gründeten beispielsweise durchweg auf reisenden Unternehmen), erlahmte dieser vermeintliche Prozess um die Jahrhundertwende infolge der Verbreitung des Chapiteaus.
Der einleitenden Aussage „die großen Zirkusgesellschaften spielten um 1900 nicht in Zelten, sondern in mächtigen Holzkonstruktionen oder in pompösen steinernen Gebäuden“ kann nur für die Dekade vor 1900 entsprochen werden, danach traf sie in stark steigendem Maße nicht mehr zu. Der Fachautor „Signor Saltarino“ (Hermann Otto) sah bereits 1910 den alten Pferdecircus mit seiner „vornehmen Ruhe und wohltuenden Eleganz“ durch die Zeltunternehmen neuen Typs verdrängt.
Tatsächlich
hatte zur Jahrhundertwende längst eine Entwicklung zum Zeltcircus
eingesetzt. Einige bedeutende Circusse in Metropolen wie Berlin
(Busch) oder Paris (Medrano) spielten zwar noch lange Zeit
vornehmlich oder gar ausschließlich in Ihren festen Gebäuden, doch
selbst dort waren trotz des Festhaltens an (technisch) aufwändigen
„Ausstattungspantomimen“ bzw. Manegenschauspielen2 bei
Busch sowie zunehmender Ausrichtung der Programme an populären
Unterhaltungsformen wie zuvorderst Revue bzw. Music-Hall seit den
1920er Jahren wirtschaftliche Erfolge nicht garantiert. Franz Renz
musste die von seinem Vater gegründeten Unternehmen in Berlin, Wien
und Hamburg sogar bereits 1897 aufgeben.
Zunehmend mehr bedeutende Circusunternehmen setzten hingegen auf das Chapiteau. Das Zelt ermöglichte angesichts des wachsenden Angebots konkurrierender Unterhaltungsangebote in den Städten kürzere Gastspiele, bestehende oder auch neu erbaute Gebäude wurden vor allem im Winter bespielt, dienten ansonsten zumeist für andere Veranstaltungen oder wurden gleich vollständig z.B. zu Kinos umgewandelt.
Zunehmend mehr bedeutende Circusunternehmen setzten hingegen auf das Chapiteau. Das Zelt ermöglichte angesichts des wachsenden Angebots konkurrierender Unterhaltungsangebote in den Städten kürzere Gastspiele, bestehende oder auch neu erbaute Gebäude wurden vor allem im Winter bespielt, dienten ansonsten zumeist für andere Veranstaltungen oder wurden gleich vollständig z.B. zu Kinos umgewandelt.
Ein
Blick auf das Geschehen in der Provinz zeigt, zumindest bezogen auf
Deutschland, keinen „Prozess der Sesshaftigkeit“. Am Beispiel der
Stadt Münster lässt sich die Entwicklung exemplarisch darstellen.
In Münster, das wie fast alle heutigen Städte früher sehr viel kleiner war und zu Beginn des 19. Jahrhunderts keine 20000, am Ende 60000 Einwohner hatte3, gastierten während dieser Zeitspanne viele der bedeutendsten reisenden Circusse bzw. Kunstreitergesellschaften ihrer Zeit, darunter de Bach, Loisset, Foureux, Tourniaire, Blumenfeld, Wollschläger, Brilloff, Renz, Blennow, Hinné, Herzog, Carré, Sanger, Wulff und Krembser.
Wie in anderen Städten auch, ließen sie von ortsansässigen Zimmerleuten temporäre Holzbauten errichten, die allerdings nicht immer „mächtige Holzkonstruktionen“ waren und nach Beendigung des Gastspiels zerlegt und als Bau- oder Brennholz verkauft wurden.
Solch ein eigens erbauter Holzcircus rentierte sich nur bei einer längeren Gastspieldauer von mindestens sechs Wochen. Um das Publikum zum mehrmaligen Besuch der Vorstellungen zu animieren, mussten die Programme notwendigerweise täglich variieren und ständig mit neu verfassten Zetteln und Zeitungsanzeigen beworbenen werden. "Pantomimen" zeigten die reisenden Gesellschaften oftmals erst gegen Ende eines Gastspiels, wenn die Variationsmöglichkeiten erschöpft waren und der Publikumszuspruch nachließ.
Eine Alternative zum Bau eines Holzcircus war die Nutzung örtlicher Hippodrome, in Münster war das die „Knapp'sche Reitbahn“ am Aegidiitor. Einige Gesellschaften errichteten vor allem während des Sends an anderen Orten einfache Arenen.
Einfache mit Segeltuch überdachte, späteren Circuszelten ähnelnden Spielstätten gab es offensichtlich schon Mitte des 19. Jahrhunderts, ein "Circus von Geni und Althof" warb 1863 gar mit einem "großen arabischen Riesenzelt", ein regelrechtes Circuszelt errichtete im August 1873 in Münster aber erstmals „Myers Circus amerikanus“, bereits 2 Monate später gefolgt von „Hodges fliegendem amerikanischen Circus“.
Die Möglichkeit, ein bestehendes festes Circusgebäude zu mieten, bot sich den Unternehmen in Münster erst im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts: Ab 1891 stand die fast 2000 Plätze bietende „Circus- und Varieté-Festhalle“ zur Verfügung. In einigen anderen deutschen Städten entstanden zwar schon deutlich früher feste Circusgebäude, insgesamt gesehen jedoch später und in geringerer Zahl als in Frankreich.
Der Bau in Münster wurde u.a. von den Circussen Krembser, Wulff, Sidoli und dem in Münster ansässigen Circus Corty-Althoff4, einer der ganz großen Circusse seiner Zeit, bespielt. Bereits 1903 fand hierin zum letzten Mal eine Circusvorstellung statt.
1901 ließ der „Königlich Niederländische Circus Oscar Carré“, der im Winter in seinem noch heute bestehenden Amsterdamer Circusgebäude spielte und in den Sommermonaten vor allem Deutschland und Österreich bereiste, letztmalig einen Holzcircus in Münster errichten. 1905 gastierte das renommierte, hier lang bekannte und beliebte Unternehmen wie andere bedeutende Circusse in Münster mit einem Zelt.
In Münster, das wie fast alle heutigen Städte früher sehr viel kleiner war und zu Beginn des 19. Jahrhunderts keine 20000, am Ende 60000 Einwohner hatte3, gastierten während dieser Zeitspanne viele der bedeutendsten reisenden Circusse bzw. Kunstreitergesellschaften ihrer Zeit, darunter de Bach, Loisset, Foureux, Tourniaire, Blumenfeld, Wollschläger, Brilloff, Renz, Blennow, Hinné, Herzog, Carré, Sanger, Wulff und Krembser.
Wie in anderen Städten auch, ließen sie von ortsansässigen Zimmerleuten temporäre Holzbauten errichten, die allerdings nicht immer „mächtige Holzkonstruktionen“ waren und nach Beendigung des Gastspiels zerlegt und als Bau- oder Brennholz verkauft wurden.
Solch ein eigens erbauter Holzcircus rentierte sich nur bei einer längeren Gastspieldauer von mindestens sechs Wochen. Um das Publikum zum mehrmaligen Besuch der Vorstellungen zu animieren, mussten die Programme notwendigerweise täglich variieren und ständig mit neu verfassten Zetteln und Zeitungsanzeigen beworbenen werden. "Pantomimen" zeigten die reisenden Gesellschaften oftmals erst gegen Ende eines Gastspiels, wenn die Variationsmöglichkeiten erschöpft waren und der Publikumszuspruch nachließ.
Eine Alternative zum Bau eines Holzcircus war die Nutzung örtlicher Hippodrome, in Münster war das die „Knapp'sche Reitbahn“ am Aegidiitor. Einige Gesellschaften errichteten vor allem während des Sends an anderen Orten einfache Arenen.
Einfache mit Segeltuch überdachte, späteren Circuszelten ähnelnden Spielstätten gab es offensichtlich schon Mitte des 19. Jahrhunderts, ein "Circus von Geni und Althof" warb 1863 gar mit einem "großen arabischen Riesenzelt", ein regelrechtes Circuszelt errichtete im August 1873 in Münster aber erstmals „Myers Circus amerikanus“, bereits 2 Monate später gefolgt von „Hodges fliegendem amerikanischen Circus“.
Die Möglichkeit, ein bestehendes festes Circusgebäude zu mieten, bot sich den Unternehmen in Münster erst im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts: Ab 1891 stand die fast 2000 Plätze bietende „Circus- und Varieté-Festhalle“ zur Verfügung. In einigen anderen deutschen Städten entstanden zwar schon deutlich früher feste Circusgebäude, insgesamt gesehen jedoch später und in geringerer Zahl als in Frankreich.
Der Bau in Münster wurde u.a. von den Circussen Krembser, Wulff, Sidoli und dem in Münster ansässigen Circus Corty-Althoff4, einer der ganz großen Circusse seiner Zeit, bespielt. Bereits 1903 fand hierin zum letzten Mal eine Circusvorstellung statt.
1901 ließ der „Königlich Niederländische Circus Oscar Carré“, der im Winter in seinem noch heute bestehenden Amsterdamer Circusgebäude spielte und in den Sommermonaten vor allem Deutschland und Österreich bereiste, letztmalig einen Holzcircus in Münster errichten. 1905 gastierte das renommierte, hier lang bekannte und beliebte Unternehmen wie andere bedeutende Circusse in Münster mit einem Zelt.
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Der
Circus Krember war 1891 der erste Circus, der in Münsters „Circus-
und Varieté-Festhalle" gastierte. |
1
dazu: https://circusplakate.blogspot.com/search?q=Musentempel
2 dazu: https://circusplakate.blogspot.com/search?q=Pantomimen
3 Wobei einige größere Ortschaften direkt an das eng umrissene Stadtgebiet angrenzten, die im Laufe des 20.
2 dazu: https://circusplakate.blogspot.com/search?q=Pantomimen
3 Wobei einige größere Ortschaften direkt an das eng umrissene Stadtgebiet angrenzten, die im Laufe des 20.
Jahrhunderts
eingemeindet wurden.
4 dazu: https://circusplakate.blogspot.com/2017/10/heimvorteil.htm
4 dazu: https://circusplakate.blogspot.com/2017/10/heimvorteil.htm
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