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Führer zur angegliederten Side-Show (1900) |
Die Besprechung einer Vorstellung des amerikanischen des amerikanischen Circus-Riesen „Barnum & Bailey“ im Münsterischen Anzeiger vom 11. August 1900 fiel sehr verhalten aus. Der Rezensent bewunderte die Dimensionen des Unternehmens, die Sideshow menschlicher Abnormitäten sowie die reichhaltige Menagerie, zeigte sich aber von der kurzen Circusvorstellung eher enttäuscht, da sie sich im gewöhnlichen Rahmen bewegte, "nur daß man hier nicht in den Genuß des Einzelnen kommt, weil an 5 Stellen zugleich vor dem verwirrten Auge agirt wird". Darüber hinaus bemängelte er die unkomfortablen Plätze und das undichte Zeltdach.
Die
Europa-Tournee der „größten Schaustellung der Erde“ in den Jahren
1898 bis 1902 hatte große Auswirkungen auf den europäischen Circus.
Kritiker bemängelten eine „Amerikanisierung des Circuswesens“,
vordergründig auf ihren Schauwert reduzierte Shows und einen Hang
zum Gigantismus auf Kosten der künstlerischen Qualität.
Tatsächlich
waren insbesondere viele zu Beginn des 20. Jahrhunderts neu
entstandene oder aus Menagerien hervorgegangene europäische
Großcircusse stark von Barnum & Bailey beeinflusst, vor allem
hinsichtlich der Betonung der Ausmaße ihrer Unternehmen, des
Werbeaufwands und einzelner Aspekte der Inszenierungen. Andererseits
fanden sie alle einen mehr oder weniger ausgeprägten eigenen Weg,
zumal sich „The American Way“ beim europäischen Publikum nie
wirklich durchsetzen konnte. Nichtsdestotrotz
erlebte die alle Vorstellungen von einem Circus sprengende
gewaltige Schaustellung einen ungeheuren Zuschauerzuspruch und erlangte eine
Popularität, von der einige weniger bekannte Unternehmen der zweiten
und dritten Reihe zu profitieren versuchten. So reisten beispielsweise die Brüder Court um 1930 als "Barnum's Circus".
Der
Menageriebesitzer Froese benannte bereits 1907 sein Unternehmen in „Barums große
Karawanen-Menagerie“ um, aus der dann der bekannte Circus Barum
hervorging. „Barum“ etablierte sich als eigener Name und genoss
aufgrund seiner guten Programme ein Jahrhundert lang einen guten Ruf.
Ein
„Blender“ im wahrsten Wortsinne war hingegen Julius Gleich, der
tatsächlich vorgab, mit seinem Unternehmen dem berühmten amerikanischen 3-Manegen-Circus
zu entsprechen, ohne auch nur ansatzweise dessen künstlerische oder
materielle Substanz aufweisen zu können und selbst für das
Circusgewerbe sehr grenzwertige Reklamemethoden praktizierte. Um 1923 titulierte er seinen Circus sogar als „Europäischer
Barnum & Bailey“. Eine
Nummer kleiner hatten es fast vier Jahrzehnte später da schon die
Brüder Francki mit ihrem „Barnum unter den Circussen Frankreichs“.
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Programmtitel 1932 |
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Plakat um 1960 |
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