Bild- sowie direkte und indirekte Textzitate nur unter genauer Quellenangabe!

Donnerstag, 28. November 2019

"Es war noch nie so schön wie heute",


"Frauen im Metropol" (1940) - Illustration im Programmheft 

endet aus heutiger Sicht in Anbetracht der Zeitumstände auf außerordentlich zynisch wirkende Art die u.a. im Circusmilieu spielende Operette „Frauen im Metropol" von Heinz Hentschke, die im Herbst 1940 uraufgeführt wurde. 
Während für viele Circusse und einige Varietés in Deutschland die „Goldenen Zwanziger“ und frühen dreißiger Jahre durchaus nicht immer so „golden“ waren, gestaltete sich die wirtschaftliche Lage insbesondere für die bedeutenderen Stätten der "leichten Muse" einschließlich etlicher Circusse „arischer“ Betreiber zur Zeit des „Dritten Reiches“ bis in die ersten Kriegsjahre hinein weniger dramatisch als gemeinhin angenommen, obwohl durch das Fehlen vieler ausländischer und jüdischer Artisten künstlerisch ein deutlicher Substanzverlust zu verzeichnen war und zahlreiche Reglementierungen den Direktionen, Agenten und Künstlern die Arbeit enorm erschwerten. Auch wenn die oftmals durchaus aufwändigen Inszenierungen der Programme deutlich "hausbackener" ausfielen als in den "Wilden Zwanzigern", existierten zu Beginn der 1940er Jahre in Deutschland beispielsweise noch Varietés unterschiedlicher Größenordnungen in unüberschaubarer Anzahl.
Durch die Förderung genehmer populärer Unterhaltungsangebote wie auch das Kino durch die Nationalsozialisten sollten die Volksgenossen „bei Laune“ gehalten und in Kriegszeiten von den schrecklichen Geschehnissen abgelenkt werden. Tatsächlich blieb, anders als im Ersten Weltkrieg, der Krieg in den Circus- und Varietéprogrammen mit Ausnahme des obligatorischen Hinweises auf das Verhalten bei Fliegeralarm bis zur allgemeinen Schließung der Theater im September 1944 zumeist* außen vor.
Diese vordergründig unbekümmerte Stimmung spiegeln die zahlreichen Arbeiten Kurt Hilschers, der in jenen Jahren unzählige Plakate und Programmcover für Varietés, aber auch für Revuen, Operetten und den Dresdener Sarrasani-Bau gestaltete:

Cover des Wintergarten-Programms vom Januar 1943, in dem Fredy Knie die Hohe Schule ritt.
*Die Ablenkung vom Kriegsgeschehen endete für die Zuschauer im "Wintergarten" allerdings 

stets abrupt: Im Anschluss an das Programm wurde die Wochenschau gezeigt.  

Im Wintter 1943/44 ritt "Altmeister Karl Petoletti" noch einmal
die Hohe Schule im Dresdner Sarrasani-Bau.
Sarrasani spielte bis zur verheerenden Bombennnacht im Februar
1945, in der das Gebäude in Flammen aufging.

Für das zur "Kraft durch Freude"-Organisation gehörende Plaza-
Varieté gestaltete Hilscher von 1939 bis 1944 sämtliche Programmhefte. 

Samstag, 23. November 2019

"Circusleute lesen nicht


Heinrich Hußmann 1924

(…) Sie kennen nur eins: Circus. Nicht einmal Bücher über Circus lesen sie. Circus leibhaftig – das ist das einzige, was sie wirklich interessiert.“ (So'n Circus. Franz Althoff erzählt. Freiburg 1982, S.9)
Die vielen „Circusbücher“, die vor allem von 1920ern bis in die 1980er Jahre erschienen, richten sich also vornehmlich an Menschen „von Privat“, die nicht zuletzt durch die äußere Gestaltung angesprochen werden sollen.
In den Jahren vor dem ersten Weltkrieg bildete die Buchkunst neben der Werbegrafik und Zeitschriftenillustrationen eine wichtige Einnahmequelle für den noch jungen Berufsstand der Gebrauchsgrafiker. Eine ganz besondere Rolle spielte hierbei die augenfällige Einbandgestaltung, deren Bedeutung als wichtiger Kaufanreiz den Verlegern zunehmend bewusst wurde.
Die 1920er Jahre waren dann die große Zeit der Buchillustration*, wobei die Verbreitung des Schutzumschlags weitere gestalterische Möglichkeiten eröffnete.
Auch Circusbücher dieser Jahre weisen oftmals eine interessante bildnerische Aufmachung auf, so beispielsweise das hier bereits erwähnte Buch „Artisten“ von „Fred Colmann“ und Walter Trier aus dem Jahr 1928. 

Erich Büttner 1926

1925

Kurt Heiligenstaedt 1927

https://titelblaetter.blogspot.com/

Donnerstag, 21. November 2019

Varieté und Revue - elfter Exkurs


Apollo Varieté- und Operettentheater Augsburg - Briefkopf-Illustration um 1912

Im Europa des 20. Jahrhunderts trugen unzählige Stätten der „Leichten Muse“ wie Cabarets, Revue- und Operettentheater, Varietés, Kinos und auch Circusse  den Namen des Gottes Apollo, der römischen Ausgabe des griechischen Apollon - dabei war er nicht nur der Gott der Künste, sondern u.a. auch der Sittlichkeit und Mäßigung...
Varietés mit dem Namen Apollo gab es beispielsweise in Köln, Augsburg, Halle/ Saale oder kurze Zeit in Stuttgart. Die größten  Apollo-Varietés des deutschsprachigen Raums befanden sich in Wien, Düsseldorf, Bochum (das später angesehene Schauspielhaus) und Nürnberg. Auch das Berliner Apollo-Theater fungierte zu Beginn als Varieté, etablierte sich dann jedoch vornehmlich als Operettenhaus. 
In Wien konkurrierte mit Ben Tiebers Apollo-Theater ein zweites Groß-Varieté neben dem berühmten "Ronacher", das diesem sogar zeitweise den Rang ablief. Seit 1929 ist das „Apollo“ ein Kino.
Das 1899 eröffnete, 3000 Plätze umfassende Düsseldorfer Apollotheater galt als eines der führenden europäischen Varietés der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts, konzipiert war es jedoch gleichermaßen als Circusbau mit Stallungen für über 100 Pferde. Die Manege befand sich unter dem Parkett, dessen Boden für Circusvorstellungen entfernt wurde. Auch die Möglichkeit zur Verwandlung in ein Wasserbassin war gegeben. So traten im Apollotheater neben den größten Akrobaten, Clowns und Magiern ihrer Zeit auch Dompteure wie Richard Sawade und Claire Heliot oder die Schulreiterin Therese Renz auf.
Die Nutzung des Gebäudes als Varieté überwog dabei von Beginn an, zudem diente es als Stätte für Konzerte, Revuen, Sportveranstaltungen, Kinovorstellungen, Operetten und anderer Unterhaltungsangebote. Nach der weitgehenden Zerstörung im zweiten Weltkrieg wurde das Theater mit einem völlig neuen Erscheinungsbild, aber unter Beibehaltung der Maße des Zuschauerraums wieder aufgebaut und vielfältig, vor allem aber als Filmtheater, genutzt. Eine Spezialität des Hauses waren kombinierte Varieté- und Kinovorstellungen. Mitte der 1960er Jahre erfolgte der Abriss des Baus. 1997 eröffnete Bernhard Paul in Düsseldorf an anderem Standort ein neues Varieté "Apollo".
Den größten Circus dieses Namens betrieb seit 1942 Emil Wacker, der 1942 auch das Leipziger Battenberg-Varieté erwarb und in „Apollo-Varieté“ umbenannte. Das Gebäude fiel bereits im Folgejahr einem Bombenangriff zum Opfer.

1920 (Entwurf von Otto Dura)

1952 (Entwurf Ruth Busse)

1943