Bild- sowie direkte und indirekte Textzitate nur unter genauer Quellenangabe!

Donnerstag, 25. April 2019

Verdienter Clowns des Volkes


Cover einer russischen Zirkuszeitschrift aus dem Jahr 1960

In der gesamten früheren Sowjetunion zählten Circusclowns wie Oleg Popov oder Boris Wjatkin (vgl. Post „Neue Wege“) zu den großen Stars im Unterhaltungsbereich. Russische Clowns zeichnen sich durch einen ausgeprägten Ideenreichtum bei der Gestaltung origineller, ausgefeilter Reprisen aus.
Einer der in seiner Heimat populärsten Vertreter der russischen Clownerie war der 1901 geborene Michael Rumjanzew. Rumjanzew trat zunächst als Chaplin-Imitator auf, entwickelte dann aber mit „Karandasch“ eine eigene Figur, die weiterhin Züge des berühmten Vorbildes so vieler Clowns aufwies. Karandasch, dessen Markenzeichen neben seinem Hut und dem Bärtchen ein kleines schwarzes Hündchen war, starb 1983.
Die enorme Popularität einzelner Circusartisten in der Sowjetunion dokumentiert nicht zuletzt ihre grafische Präsenz auf Alltagsgegenständen wie Streichholzschachteln oder Briefmarken.  

Motiv einer Briefmarke

Streichholzschachtelbild von 1966

... ein weiteres "Matchbox-Label" (1965)

Mittwoch, 17. April 2019

Zirkuszauber


Im April 1943 gastierte die „Große Cantarelli-Zauber-Revue“ 
im Dresdener Sarrasani-Bau. Die interessante Programm-
illustration stammt von Kurt Hilscher.

Aufzählungen typischer Circus-Artistik umfassen in der Regel auch die Zauberei, obwohl sie aus naheliegenden Gründen nicht zum Standard-Repertoire der Circusprogramme zählt:* Für das weite Rund eines Chapiteaus eignen sich in erster Linie Großillusionen – und die bedürfen zumeist der Bühnen(technik) und frontal angeordneter Zuschauerreihen. 
Wenn große Illusionisten mit ihren Solo-Programmen in Circuszelten oder Circusgebäuden  gastierten, so traten sie zumeist auf einer Bühne vor entsprechender Bestuhlung auf. Die Circusbauten waren in der Regel Multifunktionsgebäude, deren Innenraum sich für Bühnenshows umwandeln ließ. 
Aber auch als Bestandteil regulärer Circusshows waren Größen der Szene mitunter zu erleben, allen voran Houdini, der in Deutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts bei Corty-Althoff und im Circus Busch ein wahrer Publikums- bzw. Kassenmagnet war.
In regulären Circusprogrammen werden viele Tricks häufig auf einer frontalen Bühne dargeboten. Eine anspruchslose „Kistenzauberei“ ist dabei ohne besondere Begabung auszuführen – im schlechtesten Fall genügt es, die Gerätschaften zu kaufen, eine gutaussehende, gelenkige Assistentin einzuweisen und ein wenig Brimborium um die Illusion herum zu veranstalten. Einige Tricks wie beispielsweise die unvermeidliche „Fluchtkiste“ sind dabei mit besonders wenig Aufwand auch in einer Manege zu präsentieren. Trotzdem stammt nur ein verschwindend kleiner Teil der Zauberer im Circus aus Circusfamilien. In der Regel handelt es sich um Bühnenillusionisten "von Privat", die ihre Show den Bedingungen im Circus angepasst haben. Um hier Erfolg zu haben, bedarf es allerdings in Anbetracht dieser äußeren Bedingungen und des sehr heterogenen Publikums echter Showmen-Qualitäten sowie eines ausgeprägten dramaturgischen Geschicks. Darüber hinaus tragen die mit einer Circus-Tournee verbundenen großen Strapazen dazu bei, dass die "Circuszauberei" durchaus Beachtung verdient. Ausgesprochene "Manegen-Zauberer" waren beispielsweise "Recha, der Teufel im Frack" (Reinhold Schäfer), sein Lehrmeister "Taft" (Albert Sachse), Ferry Forst (Franz Alexander Hodis), Teddy Strik (Georges Amard), "Spinoza" (Johannes Kristensen), Emil Kio und seine Söhne, "Yanco" (Jean-Louis Conte), Jolson (Raúl da Silva Pinto), Peter Weyganda, Lee Pee Ville (Leif Hansen) oder in jüngerer Vergangenheit der Däne Kim Kenneth, der mit seinen Großillusionen u.a. bei Elfi-Althoff, Benneweis, Barum, Arena, Billy Smart, Charles Knie oder Nock engagiert war. 
Mit "Camaro" (Harry Cameron), "Tihany" (Franz Czeisler), "Brazil Jack" (Carl Max Alexander Rhodin), "Berdini" (Ben Tertoole) und Arne Arnado lassen sich sogar Zauberkünstler benennen, die eigene Circusse gründeten. Auch bei dem ursprünglichen "Zirkus Charles Knie", dem 1970 gegründeten belgischen "Cirque Carrington" oder dem "Magic Circus" von Circus-Urgestein Bill Kartoum spielte die Zauberei eine besondere Rolle. 
Klassische Kunststücke sind im Circus nicht nur in reinen Zaubernummern zu sehen. Mitunter werden sie von Clowns bzw. Komikern persifliert, die dabei bisweilen Tricks aus der magischen Mottenkiste offenlegen. Auch Fakirnummern bzw. "orientalische Schaubilder" beinhalten gelegentlich Apparate-Tricks oder gar einfache Großillusionen.
"QuickChange" und "Pickpocket", zwei Randgebiete der Zauberei, erfreuen sich bis in die Gegenwart besonderer Beliebtheit im Circus. "Quick Change", die Kunst des rasanten Kostümwechsels, brachten Artisten des sowjetischen Staatscircus in den späten 1980er Jahren von der Bühne in die Manege und bis heute wird diese Disziplin vornehmlich von Paaren aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion ausgeführt.
"Taschendiebe", die ihren Opfern vor aller Augen Armbanduhren, Krawatten, Börsen, Brieftaschen, Hosenträger oder Brillen "klauen", sind besonders publikums- und vor allem auch werbewirksam: Eine vom Circus-Pressesprecher arrangierte "Fortbildung" der örtlichen Polizei ist jeder Lokalredaktion einen ausführlichen Bericht mit großer Schlagzeile wert. Zuletzt war hierzulande der Däne Kenny Quinn im Circus Charles Knie zu erleben. Besondere Popularität erlangten Borra Senior und Junior, die in den führenden Circussen Europas als Top-Nummern engagiert waren. Charly Borra gastierte dabei oftmals in Unternehmen, die Jahrzehnte vorher seinen berühmten Vater im Programm hatten. 


Die Circusplakat-Entwürfe polnischer Grafiker wurden zumeist
 überhaupt nicht von Circussen eingesetzt. Eine Ausnahme
 macht dieses Programmcover von 1975.

Programmcover einer "indisch" aufgemachten Circus-Show
um den Star-Illusionisten Prodip Chandra Sorcar (1976)

Emil Kio und seine Söhne genossen in der Sowjetunion enorme
Popularität und waren Stars auf Auslandsreisen des Staatszirkus.


* In den letzten 70 Jahren war nur in ca. 5% der Programme größerer westeuropäischer Circusse klassische Zauberei mit Großillusionen oder - weitaus seltener - Manipulationen oder Mentalmagie vertreten. In einigen Ländern hat die Zauberei im Circus traditionell allerdings einen deutlich größeren Stellenwert, so z.B. in Belgien, Portugal oder Skandinavien.

Samstag, 13. April 2019

Heitere Mienen



1960

Der in Genf lebende Gebrauchsgrafiker Jean Leffel (1919-2001) – nicht zu verwechseln mit dem Cartoonisten Jean Effel - begann als Kulissenmaler und machte sich als mehrfach ausgezeichneter Illustrator und Karikaturist einen Namen.
Seine heiteren, originellen Plakate und Werbeanzeigen stehen in bester Schweizer Plakat-Manier der 50er und 60er Jahre, die sich auch ein wenig in seinen farbenfrohen Circus-Arbeiten spiegelt.

1965

Anzeigenwerbung im Programm des Circus Knie 1953


Freitag, 12. April 2019

Kinderkram


Reyersbach - ein extrem seltenes Friedländer-Plakat von 1921

Die hier abgebildeten, so unterschiedlichen Circus-Grafiken haben eine interessante Gemeinsamkeit: Es handelt sich um Arbeiten von Gebrauchsgrafikern, die sich späterhin einen Namen als bekannte Kinderbuch-Illustratoren gemacht haben:
Hans A. Reyersbach gehörte zu den talentierten Nachwuchsgrafikern, die für die Druckerei Friedländer in den frühen 1920er Jahren signierte Plakate auf der gestalterischen Höhe der Zeit schufen. Einen eigenen Stil entwickelte der Autodidakt Reyersbach während seiner kurzen Karriere als Plakatentwerfer, in der er vor allem Circusplakate für Paula Busch gestaltete, nicht. Seine Arbeiten zeigen sich hingegen von einigen bekannten Gebrauchsgrafikern seiner Zeit beeinflusst. Nach verschiedenen beruflichen und geographischen Stationen emigrierte das jüdische Ehepaar Reyersbach 1940 unter abenteuerlichen Umständen von Paris in die USA. Mit seiner Kinderbuchreihe „Coco, der neugierige Affe“ wurde Reyersbach als „H. A. Rey“ weltberühmt.
Franz Josef Tripp verdiente in den 1950er Jahren seinen Lebensunterhalt als (Buch-)Illustrator und Werbegrafiker, so schuf er u.a. den abgebildeten Programmheft-Titel für den Circus Fischer. Tripps in den 1960er Jahren erstellte Illustrationen für Kinderbuchklassiker wie die Jim-Knopf Bücher von Michael Ende oder „Die Kleine Hexe“ bzw. die Räuber Hotzenplotz-Bände von Otfried Preußler avancierten zu Klassikern ihres Genres und die Bilder sind im breiten Bewusstsein ähnlich eng mit den Büchern verbunden wie die Zeichnungen von Walter Trier für Kinderbücher Erich Kästners.
Eines der bei kleinen Kindern beliebtesten Bücher ist der 1989 erschienene Titel „Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat“. Illustrator dieses in zahlreichen Sprachen erschienenen Bestsellers ist Wolf Erlbruch. Für das Programmheft des Circus Roncalli gestaltete der in den 70ern und frühen 80ern vor allem als Werbeillustrator tätige Erlbruch eine Tabak-Anzeige, die viel vom Charme dieses Circus in seinen frühen Jahren widerspiegelt. Die rasch ansteigende Popularität Roncallis zeigt sich auch darin, dass die Anzeige bald schon in zahlreichen Zeitschriften mit einer jugendlichen, „alternativen“ Leserschaft geschaltet wurde.

Tripp

Erlbruch

Dienstag, 9. April 2019

Viva Zavatta!


1964 Cirque Francki

Achille Zavatta (1915-1993) war von den 1950ern bis in die 1980er Jahre in Frankreich ein überaus populärer Circusclown. Aus einer alten italienischen Artisten- bzw. Circusfamilie stammend, trat er schon mit drei Jahren in der Manege auf und war wie so viele echte Circuskinder ein universal ausgebildeter Artist und Musiker. Aufgrund seines komödiantischen und musikalischen Talents entwickelte er sich rasch zu einem der gefragtesten Clowns mit Engagements als Reklamenummer in allen bedeutenden französischen Circussen. Ab 1978 reiste Achille Zavatta, der auch als Darsteller in verschiedenen Filmproduktionen zu sehen war, für einige Jahre mit einem eigenen Unternehmen. In dessen Nachfolge firmieren in Frankreich immer wieder verschiedene Circusunternehmen unter dem zugkräftigen Namen „Zavatta“, obwohl die Betreiber in keinem verwandtschaftlichen Verhältnis zur Familie Zavatta stehen.

1957 Cirque Amar

späte 1980er Jahre 

Donnerstag, 4. April 2019

Seventies


1978

Obwohl die 1970er und 80er Jahre die Hoch-Zeit der vor allem in Mittel- und Südeuropa den Markt überschwemmenden italienischen „Circus-Grafik“ waren, spiegeln einige wenige Circusplakate und Programmcover gebrauchsgrafische Moden und Entwicklungen jener Jahre wieder. Ihr Stil verweist häufig noch auf die von der psychodelischen Kunst oder der Pop-Art beeinflusste Grafik der 1960er Jahre, ist aber zumeist deutlich vereinfacht, mitunter an damalige Ausprägungen der „Naiven Malerei“ erinnernd und von besonders heiterer Art.

1975

1977

1974