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Samstag, 14. Dezember 2019

Varieté und Revue - zwölfter Exkurs


Plakat von Ernst Lauen Roth zur DDR-Wiederaufführung des Spiel-
films "Die drei Codonas" (1940), der u.a. im "Wintergarten" spielt.

Während Tiernummern weitgehend aus den Varietéprogrammen verschwunden sind, immer mehr Circusse vor allem auf Akrobatik sowie Komik setzen und mitunter sogar völlig auf Tiernummern verzichten, waren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auch Vorführungen großer Tiere wie Pferde oder Raubtiere bis hin zu Elefanten auf den damaligen Varietébühnen mit ihren beachtlichen Ausmaßen vor allem während der Winterpausen der Circusse durchaus verbreitet. 
Darüber hinaus konnte das Publikum auch andere Darbietungen im Varieté erleben, die heutzutage eher im Circus verortet werden. Viele der großen Häuser ermöglichten gar das Engagement von Flugtrapez-Truppen wie die „Codonas“, die häufig in Varietés auftraten.
Auch die berühmten Clowns jener Jahre wie die Fratellinis, die Bronetts, die Rivels oder Grock waren gleichermaßen Stars der Manegen und der Varietébühnen.

"Los Cherros" traten Ende 1939 im "Plaza" auf. Den Programm-
titel gestaltete, wie auch die folgenden, Kurt Hilscher. 

Bob Matthew präsentierte im Januar 1939 seinen Löwen "King 
Tuffy" im Wintergarten. Aber auch ganze Raubtiergruppen 
wurden von den großen Häusern enagiert.

Im Oktober 1937 ritt Micaela Busch die "Hohe Schule" auf der
 großen Bühne des Berliner Wintergartens.

Montag, 9. Dezember 2019

Nostalgia


Leider hat Roncalli, der in früheren Jahren so großartige Darbietungen wie die von Yasmine Smart, Susanna
Svenson, Geraldine Katharina Knie oder Manuela Beeloo präsentierte, mittlerweile keine Pferdedarbietungen
mehr im Programm und verzichtet damit nicht nur auf ein zentrales "nostalgisches", sondern auch auf ein für
den Circus wesentliches atmosphärisches Element. Dabei erfreuen sich Pferdeshows wie "Equitana" oder
 "Appassionata", aber auch klassische Pferdecircusse wie Knie oder Alexis Gruss enormer Beliebtheit. 

Mit Roncalli tauchte 1976 ein Unternehmen auf, das die internationale Circuslandschaft nachhaltig verändern sollte. Der 1980 einsetzende enorme Erfolg des Newcomers rührte nicht zuletzt daher, dass seinerzeit die Nostalgiewelle einen Höhepunkt erreicht hatte und Direktor Bernhard Paul es überaus geschickt verstand, Vorstellungen von einem idealisierten Circus vergangener Tage Wirklichkeit werden zu lassen.
Dieses „Konzept“ wirkte sich schnell auf das Erscheinungsbild und die Programmgestaltungen der Konkurrenz aus, einige Unternehmen wie „Ca- bzw. Barelli“ oder „Fliegenpilz“ ahmten Roncalli in vielerlei Hinsicht dabei sehr weitgehend nach. Ganz besonders positiv strahlte Roncalli auf Familiencircusse aus. Einige zuvor völlig unscheinbare Kleincircusse verwandelten sich in den 1980er und 90er Jahren in regelrechte Schmuckstücke und bescherten ihren althergebrachten Programmen in neuer Verpackung unter dem Motto „Opas Circus lebt“ einen deutlich verstärkten Publikumszuspruch.
Das Heraufbeschwören vermeintlich guter alter Zeiten, die Klage über das Schwinden der „Circusromantik“ sind dabei nicht auf die 70er und 80er Jahre beschränkt. Schon "Signor Saltarino" (H.W. Otto) beklagte beispielsweise um die vorletzte Jahrhundertwende das Ende des guten alten Pferdecircus durch die „Amerikanisierung“ des Circuswesens“: "Ich fürchte, daß der alte, schöne und elegante Zirkus untergehen wird im Tamtam der wilden Reklame". (Das Artistentum und seine Geschichte, Leipzig 1910, S.53) 
Auch die "Romantik" des "Fahrenden Volkes" sah Saltarino dem Untergang geweiht: "(...) er ist dem Circus des electrischen Lichts nicht hold, der nach seiner Ansicht aller Romantik bar, er, der nur mit der Maringotte durch die Länder gezogen, als die Eisenschienen noch nicht den Erdball umpanzerten. Freilich, unter dem fahrenden Volk des Heute entfaltet sich auch nur noch ein sehr dünnes Restchen jener Poesie und Romantik, die mit den Märchen und Mythen das künstlerische Vagabondenleben vordem umwob und dürfte es ihm in Erinnerung an sein einstiges fahrendes Künstlerthum um so strahlender jetzt erscheinen, je ferner es ihm liegt, je glänzender es das Zauberlicht der Erinnerung verklärt." (Artikel über den Artisten "Alfredo" in ""Pauves Saltimbanques" aus dem Jahr 1891)
In den 20er Jahren waren es vor allem "der Manege wesensfremde" schauspielerische Elemente, die die Eigenart des Circus zu gefährden schienen: "(...), und es kam, genau genommen, einer Bankrotterklärung der spezifischen Manegenkünste gleich, wenn man auf die Mithilfe der Thespisjünger, die vordem, (...) stets ein wenig verächtlich auf die Zirkusmenschheit herabzublicken gewillt waren, nicht mehr verzichten zu können glaubte." (Joseph Halperson, Das Buch vom Zirkus. 1926, S.124) 
1934 hingegen sollte ausgerechnet eine "Theater-Revue" zu einer "Renaissance" der "guten alten Zeiten" beitragen. 1934 schrieb Ladislaus Bus-Fekete im Programmheft zu seinem Stück „Der Stern der Manege“: „In den letzten Jahren ist der Zirkus mit seiner eigenartigen, köstlichen Atmosphäre ein wenig außer Mode gekommen. Der Zirkus, der uns einst so viel Amusement gab. Ich fühle es aber, dass diese Komödie im Zirkus dessen Renaissance sein wird und dass wir damit vielleicht für ihn die guten alten Zeiten wieder bringen. Und damit Erinnerungen, die für uns die schönsten sind.“
Die in den 1980er und 90er unter Circusleuten - und -freunden oftmals sehr hitzig geführte Diskussion um den Stellenwert aufkommender, zunächst als "Alternativcircusse" bezeichneter Erscheinungsformen des "Nouveau Cirque" und vermeintlich negativer  Auswirkungen auf den "klassischen" bzw. "traditionellen" Circus stand somit genau genommen selbst in einer weit zurückreichenden Tradition kritischer Einstellungen zu Veränderungstendenzen. 

Nicht zu vernachlässigen ist im Zusammenhang mit der Heraufbeschwörung vergangener Zeiten der Umstand, dass das Anknüpfen an verklärende Bilder in den Köpfen der Menschen schon immer eines der Mittel war, um Publikum in die Zelte locken – und das gilt auch heute: Zu Beginn der Reisesaison 2019 präsentierte sich der Circus Krone, der seinen Shows zuvor lange Zeit mit Revue-Elementen einen eigenen Anstrich zu geben versuchte, in einem ganz neuen, nostalgischen Outfit und mit einer völlig veränderten Programmkonzeption. Abermals wird dabei ein idealisiertes Bild von der Vergangenheit in die Gegenwart projiziert, wobei die Zeitreise diesmal nicht die Gründerzeit und die vorletzte Jahrhundertwende, sondern die 1920er Jahre zum Ziel hat – Art Deco statt Jugendstil und „Jahrmarktsbarock“.

Für "Der Stern der Manege" gestaltete die Kostümbildnerin
Gerda Gottschlich auch das Cover des Programmheftes.

Das März-Programm des Circus Krone aus dem Jahr 1941 mit einer
nostalgisch anmutenden Illustration von Lutz Ehrenberger. 

Das äußere Erscheinungsbild des 1992 gegründeten Circus Flic Flac
orientierte sich zunächst stark an Roncalli, man spielte sogar in dessen
ehemaligem Chapiteau. Bei der Programmgestaltung gingen die
Kasteins jedoch von Beginn an eigene Wege.

Sonntag, 8. Dezember 2019

Briefschmuck


Oberer Teil eines von Gustave Soury 1928 gestalteten Briefbogens

Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzten Unternehmen für ihre Geschäftspost ansprechende und oftmals sehr aufwändig gestaltete repräsentative Briefbögen ein, um Kunden, Geschäftspartner oder auch Behörden beispielsweise mit Darstellungen ausgedehnter Fabrikanlagen zu beeindrucken.
Die Circusse standen dem in nichts nach, ' setzten in branchentypischer Manier häufig sogar in besonderer Weise auf einen „eindrucks-vollen“ Briefschmuck, wobei die Farblithografien nicht selten die Hälfte des Blattes einnahmen.
Im Idealfall spiegelt die Gestaltung eines solchen Briefkopfes den besonderen Charakter eines Unternehmens wider, so auch das obige Beispiel aus neuerer Zeit, das Bernhard Paul persönlich gestaltete.

1929

Briefbögen mit diesem Kopf nutzte Sarrasani sinnigerweise u.a. für die Korrospondenz mit Firmen,
die nach Gastspielende mit der Platzreinigung bzw. -wiederherstellung beauftragt waren. (1931)

Kopf eines Schreibens aus dem Jahr 2001


Donnerstag, 28. November 2019

"Es war noch nie so schön wie heute",


"Frauen im Metropol" (1940) - Illustration im Programmheft 

endet aus heutiger Sicht in Anbetracht der Zeitumstände auf außerordentlich zynisch wirkende Art die u.a. im Circusmilieu spielende Operette „Frauen im Metropol" von Heinz Hentschke, die im Herbst 1940 uraufgeführt wurde. 
Während für viele Circusse und einige Varietés in Deutschland die „Goldenen Zwanziger“ und frühen dreißiger Jahre durchaus nicht immer so „golden“ waren, gestaltete sich die wirtschaftliche Lage insbesondere für die bedeutenderen Stätten der "leichten Muse" einschließlich etlicher Circusse „arischer“ Betreiber zur Zeit des „Dritten Reiches“ bis in die ersten Kriegsjahre hinein weniger dramatisch als gemeinhin angenommen, obwohl durch das Fehlen vieler ausländischer und jüdischer Artisten künstlerisch ein deutlicher Substanzverlust zu verzeichnen war und zahlreiche Reglementierungen den Direktionen, Agenten und Künstlern die Arbeit enorm erschwerten. Auch wenn die oftmals durchaus aufwändigen Inszenierungen der Programme deutlich "hausbackener" ausfielen als in den "Wilden Zwanzigern", existierten zu Beginn der 1940er Jahre in Deutschland beispielsweise noch Varietés unterschiedlicher Größenordnungen in unüberschaubarer Anzahl.
Durch die Förderung genehmer populärer Unterhaltungsangebote wie auch das Kino durch die Nationalsozialisten sollten die Volksgenossen „bei Laune“ gehalten und in Kriegszeiten von den schrecklichen Geschehnissen abgelenkt werden. Tatsächlich blieb, anders als im Ersten Weltkrieg, der Krieg in den Circus- und Varietéprogrammen mit Ausnahme des obligatorischen Hinweises auf das Verhalten bei Fliegeralarm bis zur allgemeinen Schließung der Theater im September 1944 zumeist* außen vor.
Diese vordergründig unbekümmerte Stimmung spiegeln die zahlreichen Arbeiten Kurt Hilschers, der in jenen Jahren unzählige Plakate und Programmcover für Varietés, aber auch für Revuen, Operetten und den Dresdener Sarrasani-Bau gestaltete:

Cover des Wintergarten-Programms vom Januar 1943, in dem Fredy Knie die Hohe Schule ritt.
*Die Ablenkung vom Kriegsgeschehen endete für die Zuschauer im "Wintergarten" allerdings 

stets abrupt: Im Anschluss an das Programm wurde die Wochenschau gezeigt.  

Im Wintter 1943/44 ritt "Altmeister Karl Petoletti" noch einmal
die Hohe Schule im Dresdner Sarrasani-Bau.
Sarrasani spielte bis zur verheerenden Bombennnacht im Februar
1945, in der das Gebäude in Flammen aufging.

Für das zur "Kraft durch Freude"-Organisation gehörende Plaza-
Varieté gestaltete Hilscher von 1939 bis 1944 sämtliche Programmhefte. 

Samstag, 23. November 2019

"Circusleute lesen nicht


Heinrich Hußmann 1924

(…) Sie kennen nur eins: Circus. Nicht einmal Bücher über Circus lesen sie. Circus leibhaftig – das ist das einzige, was sie wirklich interessiert.“ (So'n Circus. Franz Althoff erzählt. Freiburg 1982, S.9)
Die vielen „Circusbücher“, die vor allem von 1920ern bis in die 1980er Jahre erschienen, richten sich also vornehmlich an Menschen „von Privat“, die nicht zuletzt durch die äußere Gestaltung angesprochen werden sollen.
In den Jahren vor dem ersten Weltkrieg bildete die Buchkunst neben der Werbegrafik und Zeitschriftenillustrationen eine wichtige Einnahmequelle für den noch jungen Berufsstand der Gebrauchsgrafiker. Eine ganz besondere Rolle spielte hierbei die augenfällige Einbandgestaltung, deren Bedeutung als wichtiger Kaufanreiz den Verlegern zunehmend bewusst wurde.
Die 1920er Jahre waren dann die große Zeit der Buchillustration*, wobei die Verbreitung des Schutzumschlags weitere gestalterische Möglichkeiten eröffnete.
Auch Circusbücher dieser Jahre weisen oftmals eine interessante bildnerische Aufmachung auf, so beispielsweise das hier bereits erwähnte Buch „Artisten“ von „Fred Colmann“ und Walter Trier aus dem Jahr 1928. 

Erich Büttner 1926

1925

Kurt Heiligenstaedt 1927

https://titelblaetter.blogspot.com/

Donnerstag, 21. November 2019

Varieté und Revue - elfter Exkurs


Apollo Varieté- und Operettentheater Augsburg - Briefkopf-Illustration um 1912

Im Europa des 20. Jahrhunderts trugen unzählige Stätten der „Leichten Muse“ wie Cabarets, Revue- und Operettentheater, Varietés, Kinos und auch Circusse  den Namen des Gottes Apollo, der römischen Ausgabe des griechischen Apollon - dabei war er nicht nur der Gott der Künste, sondern u.a. auch der Sittlichkeit und Mäßigung...
Varietés mit dem Namen Apollo gab es beispielsweise in Köln, Augsburg, Halle/ Saale oder kurze Zeit in Stuttgart. Die größten  Apollo-Varietés des deutschsprachigen Raums befanden sich in Wien, Düsseldorf, Bochum (das später angesehene Schauspielhaus) und Nürnberg. Auch das Berliner Apollo-Theater fungierte zu Beginn als Varieté, etablierte sich dann jedoch vornehmlich als Operettenhaus. 
In Wien konkurrierte mit Ben Tiebers Apollo-Theater ein zweites Groß-Varieté neben dem berühmten "Ronacher", das diesem sogar zeitweise den Rang ablief. Seit 1929 ist das „Apollo“ ein Kino.
Das 1899 eröffnete, 3000 Plätze umfassende Düsseldorfer Apollotheater galt als eines der führenden europäischen Varietés der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts, konzipiert war es jedoch gleichermaßen als Circusbau mit Stallungen für über 100 Pferde. Die Manege befand sich unter dem Parkett, dessen Boden für Circusvorstellungen entfernt wurde. Auch die Möglichkeit zur Verwandlung in ein Wasserbassin war gegeben. So traten im Apollotheater neben den größten Akrobaten, Clowns und Magiern ihrer Zeit auch Dompteure wie Richard Sawade und Claire Heliot oder die Schulreiterin Therese Renz auf.
Die Nutzung des Gebäudes als Varieté überwog dabei von Beginn an, zudem diente es als Stätte für Konzerte, Revuen, Sportveranstaltungen, Kinovorstellungen, Operetten und anderer Unterhaltungsangebote. Nach der weitgehenden Zerstörung im zweiten Weltkrieg wurde das Theater mit einem völlig neuen Erscheinungsbild, aber unter Beibehaltung der Maße des Zuschauerraums wieder aufgebaut und vielfältig, vor allem aber als Filmtheater, genutzt. Eine Spezialität des Hauses waren kombinierte Varieté- und Kinovorstellungen. Mitte der 1960er Jahre erfolgte der Abriss des Baus. 1997 eröffnete Bernhard Paul in Düsseldorf an anderem Standort ein neues Varieté "Apollo".
Den größten Circus dieses Namens betrieb seit 1942 Emil Wacker, der 1942 auch das Leipziger Battenberg-Varieté erwarb und in „Apollo-Varieté“ umbenannte. Das Gebäude fiel bereits im Folgejahr einem Bombenangriff zum Opfer.

1920 (Entwurf von Otto Dura)

1952 (Entwurf Ruth Busse)

1943

Donnerstag, 3. Oktober 2019

Satire


1880

Eine der zahlreichen zeitgenössischen
Karikaturen auf die Bewerbung
Hans Stosch-Sarrasani verstand sich wie kaum ein zweiter darauf, sich und seinen Circus reklameträchtig in die Schlagzeilen zu bringen. Ein Reklamegag der besonderen Art mit weltweitem Presseecho war seine Bewerbung um den Posten des Berliner Oberbürgermeisters im Jahr 1931 – eine Steilvorlage für Satiriker bzw. Karikaturisten.
Aber auch ohne solche direkten Anlässe bot und bietet der Circus häufig die Kulisse für Satire aller Art, so beispielsweise im aktuellen Programm „Zirkus Angela“ des Berliner Kabaretts „Die Distel“.
Insbesondere Karikaturisten verorteten satirische Darstellungen politischer oder gesellschaftlicher Zu- und Missstände immer schon in der Welt der Manege.

Karikatur von Ragnvald Blix aus der Zeit des ersten
Weltkriegs in einer Ausgabe des "Simplicissimus"  

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts arbeitete Lyonel Feininger als
 Karikaturist für die "Lustigen Blätter" - hier eine Illustration
aus einer Ausgabe des Jahres 1900.

"Weesste eigentlich, August, die Diplomaten sind auch nichts weiter als
Gaukler, nur dass sie nicht ihr eigenes Leben, sondern das anderer dabei
 riskieren." (Lustige Blätter 1900, No51, Illustr. von August Roubille)

Samstag, 28. September 2019

Große Gemischte


Dieses sowjetische Circusplakat aus dem Jahr 1968 gestalteten 
ein ukrainischer und ein russischer Grafiker.

Die Dressur einer gemischten Raubtiergruppe stellt eine besondere Herausforderung an das Können eines Dompteurs dar und für viele Meister des Fachs bildeten solche schwierigen Zusammenführungen verschiedener Raubtierarten zu ansprechenden Nummern absolute Karrierehöhepunkte. 

Im November 1943 präsentierte Sarrasani in seinem Dresdner Bau
die "Große Gemischte Raubtier-Gruppe vom Circus Jacob Busch".
Den Programmzettel gestaltete Kurt Hilscher.

Dieser von Oscar Knudsen gestaltete Ttel zierte Programmhefte von
Margarete Kreiser-Barum als auch von Gerd Siemoneit-Barum.

 Siemoneits legendäre "Gemischte" verschiedener Raubkatzenarten
 hatte 1963 im Circus von Adolf Althoff Premiere.
 In den 1980ern baute er nochmals eine gemischte Raubtiernummer 
auf, die auch Bären umfasste.  

Donnerstag, 25. April 2019

Verdienter Clowns des Volkes


Cover einer russischen Zirkuszeitschrift aus dem Jahr 1960

In der gesamten früheren Sowjetunion zählten Circusclowns wie Oleg Popov oder Boris Wjatkin (vgl. Post „Neue Wege“) zu den großen Stars im Unterhaltungsbereich. Russische Clowns zeichnen sich durch einen ausgeprägten Ideenreichtum bei der Gestaltung origineller, ausgefeilter Reprisen aus.
Einer der in seiner Heimat populärsten Vertreter der russischen Clownerie war der 1901 geborene Michael Rumjanzew. Rumjanzew trat zunächst als Chaplin-Imitator auf, entwickelte dann aber mit „Karandasch“ eine eigene Figur, die weiterhin Züge des berühmten Vorbildes so vieler Clowns aufwies. Karandasch, dessen Markenzeichen neben seinem Hut und dem Bärtchen ein kleines schwarzes Hündchen war, starb 1983.
Die enorme Popularität einzelner Circusartisten in der Sowjetunion dokumentiert nicht zuletzt ihre grafische Präsenz auf Alltagsgegenständen wie Streichholzschachteln oder Briefmarken.  

Motiv einer Briefmarke

Streichholzschachtelbild von 1966

... ein weiteres "Matchbox-Label" (1965)

Mittwoch, 17. April 2019

Zirkuszauber


Im April 1943 gastierte die „Große Cantarelli-Zauber-Revue“ 
im Dresdener Sarrasani-Bau. Die interessante Programm-
illustration stammt von Kurt Hilscher.

Aufzählungen typischer Circus-Artistik umfassen in der Regel auch die Zauberei, obwohl sie aus naheliegenden Gründen nicht zum Standard-Repertoire der Circusprogramme zählt:* Für das weite Rund eines Chapiteaus eignen sich in erster Linie Großillusionen – und die bedürfen zumeist der Bühnen(technik) und frontal angeordneter Zuschauerreihen. 
Wenn große Illusionisten mit ihren Solo-Programmen in Circuszelten oder Circusgebäuden  gastierten, so traten sie zumeist auf einer Bühne vor entsprechender Bestuhlung auf. Die Circusbauten waren in der Regel Multifunktionsgebäude, deren Innenraum sich für Bühnenshows umwandeln ließ. 
Aber auch als Bestandteil regulärer Circusshows waren Größen der Szene mitunter zu erleben, allen voran Houdini, der in Deutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts bei Corty-Althoff und im Circus Busch ein wahrer Publikums- bzw. Kassenmagnet war.
In regulären Circusprogrammen werden viele Tricks häufig auf einer frontalen Bühne dargeboten. Eine anspruchslose „Kistenzauberei“ ist dabei ohne besondere Begabung auszuführen – im schlechtesten Fall genügt es, die Gerätschaften zu kaufen, eine gutaussehende, gelenkige Assistentin einzuweisen und ein wenig Brimborium um die Illusion herum zu veranstalten. Einige Tricks wie beispielsweise die unvermeidliche „Fluchtkiste“ sind dabei mit besonders wenig Aufwand auch in einer Manege zu präsentieren. Trotzdem stammt nur ein verschwindend kleiner Teil der Zauberer im Circus aus Circusfamilien. In der Regel handelt es sich um Bühnenillusionisten "von Privat", die ihre Show den Bedingungen im Circus angepasst haben. Um hier Erfolg zu haben, bedarf es allerdings in Anbetracht dieser äußeren Bedingungen und des sehr heterogenen Publikums echter Showmen-Qualitäten sowie eines ausgeprägten dramaturgischen Geschicks. Darüber hinaus tragen die mit einer Circus-Tournee verbundenen großen Strapazen dazu bei, dass die "Circuszauberei" durchaus Beachtung verdient. Ausgesprochene "Manegen-Zauberer" waren beispielsweise "Recha, der Teufel im Frack" (Reinhold Schäfer), sein Lehrmeister "Taft" (Albert Sachse), Ferry Forst (Franz Alexander Hodis), Teddy Strik (Georges Amard), "Spinoza" (Johannes Kristensen), Emil Kio und seine Söhne, "Yanco" (Jean-Louis Conte), Jolson (Raúl da Silva Pinto), Peter Weyganda, Lee Pee Ville (Leif Hansen) oder in jüngerer Vergangenheit der Däne Kim Kenneth, der mit seinen Großillusionen u.a. bei Elfi-Althoff, Benneweis, Barum, Arena, Billy Smart, Charles Knie oder Nock engagiert war. 
Mit "Camaro" (Harry Cameron), "Tihany" (Franz Czeisler), "Brazil Jack" (Carl Max Alexander Rhodin), "Berdini" (Ben Tertoole) und Arne Arnado lassen sich sogar Zauberkünstler benennen, die eigene Circusse gründeten. Auch bei dem ursprünglichen "Zirkus Charles Knie", dem 1970 gegründeten belgischen "Cirque Carrington" oder dem "Magic Circus" von Circus-Urgestein Bill Kartoum spielte die Zauberei eine besondere Rolle. 
Klassische Kunststücke sind im Circus nicht nur in reinen Zaubernummern zu sehen. Mitunter werden sie von Clowns bzw. Komikern persifliert, die dabei bisweilen Tricks aus der magischen Mottenkiste offenlegen. Auch Fakirnummern bzw. "orientalische Schaubilder" beinhalten gelegentlich Apparate-Tricks oder gar einfache Großillusionen.
"QuickChange" und "Pickpocket", zwei Randgebiete der Zauberei, erfreuen sich bis in die Gegenwart besonderer Beliebtheit im Circus. "Quick Change", die Kunst des rasanten Kostümwechsels, brachten Artisten des sowjetischen Staatscircus in den späten 1980er Jahren von der Bühne in die Manege und bis heute wird diese Disziplin vornehmlich von Paaren aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion ausgeführt.
"Taschendiebe", die ihren Opfern vor aller Augen Armbanduhren, Krawatten, Börsen, Brieftaschen, Hosenträger oder Brillen "klauen", sind besonders publikums- und vor allem auch werbewirksam: Eine vom Circus-Pressesprecher arrangierte "Fortbildung" der örtlichen Polizei ist jeder Lokalredaktion einen ausführlichen Bericht mit großer Schlagzeile wert. Zuletzt war hierzulande der Däne Kenny Quinn im Circus Charles Knie zu erleben. Besondere Popularität erlangten Borra Senior und Junior, die in den führenden Circussen Europas als Top-Nummern engagiert waren. Charly Borra gastierte dabei oftmals in Unternehmen, die Jahrzehnte vorher seinen berühmten Vater im Programm hatten. 


Die Circusplakat-Entwürfe polnischer Grafiker wurden zumeist
 überhaupt nicht von Circussen eingesetzt. Eine Ausnahme
 macht dieses Programmcover von 1975.

Programmcover einer "indisch" aufgemachten Circus-Show
um den Star-Illusionisten Prodip Chandra Sorcar (1976)

Emil Kio und seine Söhne genossen in der Sowjetunion enorme
Popularität und waren Stars auf Auslandsreisen des Staatszirkus.


* In den letzten 70 Jahren war nur in ca. 5% der Programme größerer westeuropäischer Circusse klassische Zauberei mit Großillusionen oder - weitaus seltener - Manipulationen oder Mentalmagie vertreten. In einigen Ländern hat die Zauberei im Circus traditionell allerdings einen deutlich größeren Stellenwert, so z.B. in Belgien, Portugal oder Skandinavien.

Samstag, 13. April 2019

Heitere Mienen



1960

Der in Genf lebende Gebrauchsgrafiker Jean Leffel (1919-2001) – nicht zu verwechseln mit dem Cartoonisten Jean Effel - begann als Kulissenmaler und machte sich als mehrfach ausgezeichneter Illustrator und Karikaturist einen Namen.
Seine heiteren, originellen Plakate und Werbeanzeigen stehen in bester Schweizer Plakat-Manier der 50er und 60er Jahre, die sich auch ein wenig in seinen farbenfrohen Circus-Arbeiten spiegelt.

1965

Anzeigenwerbung im Programm des Circus Knie 1953


Freitag, 12. April 2019

Kinderkram


Reyersbach - ein extrem seltenes Friedländer-Plakat von 1921

Die hier abgebildeten, so unterschiedlichen Circus-Grafiken haben eine interessante Gemeinsamkeit: Es handelt sich um Arbeiten von Gebrauchsgrafikern, die sich späterhin einen Namen als bekannte Kinderbuch-Illustratoren gemacht haben:
Hans A. Reyersbach gehörte zu den talentierten Nachwuchsgrafikern, die für die Druckerei Friedländer in den frühen 1920er Jahren signierte Plakate auf der gestalterischen Höhe der Zeit schufen. Einen eigenen Stil entwickelte der Autodidakt Reyersbach während seiner kurzen Karriere als Plakatentwerfer, in der er vor allem Circusplakate für Paula Busch gestaltete, nicht. Seine Arbeiten zeigen sich hingegen von einigen bekannten Gebrauchsgrafikern seiner Zeit beeinflusst. Nach verschiedenen beruflichen und geographischen Stationen emigrierte das jüdische Ehepaar Reyersbach 1940 unter abenteuerlichen Umständen von Paris in die USA. Mit seiner Kinderbuchreihe „Coco, der neugierige Affe“ wurde Reyersbach als „H. A. Rey“ weltberühmt.
Franz Josef Tripp verdiente in den 1950er Jahren seinen Lebensunterhalt als (Buch-)Illustrator und Werbegrafiker, so schuf er u.a. den abgebildeten Programmheft-Titel für den Circus Fischer. Tripps in den 1960er Jahren erstellte Illustrationen für Kinderbuchklassiker wie die Jim-Knopf Bücher von Michael Ende oder „Die Kleine Hexe“ bzw. die Räuber Hotzenplotz-Bände von Otfried Preußler avancierten zu Klassikern ihres Genres und die Bilder sind im breiten Bewusstsein ähnlich eng mit den Büchern verbunden wie die Zeichnungen von Walter Trier für Kinderbücher Erich Kästners.
Eines der bei kleinen Kindern beliebtesten Bücher ist der 1989 erschienene Titel „Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat“. Illustrator dieses in zahlreichen Sprachen erschienenen Bestsellers ist Wolf Erlbruch. Für das Programmheft des Circus Roncalli gestaltete der in den 70ern und frühen 80ern vor allem als Werbeillustrator tätige Erlbruch eine Tabak-Anzeige, die viel vom Charme dieses Circus in seinen frühen Jahren widerspiegelt. Die rasch ansteigende Popularität Roncallis zeigt sich auch darin, dass die Anzeige bald schon in zahlreichen Zeitschriften mit einer jugendlichen, „alternativen“ Leserschaft geschaltet wurde.

Tripp

Erlbruch

Dienstag, 9. April 2019

Viva Zavatta!


1964 Cirque Francki

Achille Zavatta (1915-1993) war von den 1950ern bis in die 1980er Jahre in Frankreich ein überaus populärer Circusclown. Aus einer alten italienischen Artisten- bzw. Circusfamilie stammend, trat er schon mit drei Jahren in der Manege auf und war wie so viele echte Circuskinder ein universal ausgebildeter Artist und Musiker. Aufgrund seines komödiantischen und musikalischen Talents entwickelte er sich rasch zu einem der gefragtesten Clowns mit Engagements als Reklamenummer in allen bedeutenden französischen Circussen. Ab 1978 reiste Achille Zavatta, der auch als Darsteller in verschiedenen Filmproduktionen zu sehen war, für einige Jahre mit einem eigenen Unternehmen. In dessen Nachfolge firmieren in Frankreich immer wieder verschiedene Circusunternehmen unter dem zugkräftigen Namen „Zavatta“, obwohl die Betreiber in keinem verwandtschaftlichen Verhältnis zur Familie Zavatta stehen.

1957 Cirque Amar

späte 1980er Jahre 

Donnerstag, 4. April 2019

Seventies


1978

Obwohl die 1970er und 80er Jahre die Hoch-Zeit der vor allem in Mittel- und Südeuropa den Markt überschwemmenden italienischen „Circus-Grafik“ waren, spiegeln einige wenige Circusplakate und Programmcover gebrauchsgrafische Moden und Entwicklungen jener Jahre wieder. Ihr Stil verweist häufig noch auf die von der psychodelischen Kunst oder der Pop-Art beeinflusste Grafik der 1960er Jahre, ist aber zumeist deutlich vereinfacht, mitunter an damalige Ausprägungen der „Naiven Malerei“ erinnernd und von besonders heiterer Art.

1975

1977

1974